Debatte um Innere Sicherheit Viel Gegenwind für Minister Spahn

Duisburg · Gesundheitsminister Spahn behauptet, der Staat versage in einigen deutschen Städten im Kampf gegen Kriminalität und könne nicht mehr überall Recht und Ordnung durchsetzen. Als Beispiele nennt der CDU-Politiker Duisburg und Essen – und ruft damit Empörung hervor.

Jens Spahn - Ex-Gesundheitsminister und Münsterländer
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Gesundheitsminister Spahn behauptet, der Staat versage in einigen deutschen Städten im Kampf gegen Kriminalität und könne nicht mehr überall Recht und Ordnung durchsetzen. Als Beispiele nennt der CDU-Politiker Duisburg und Essen — und ruft damit Empörung hervor.

"Die Aufgabe des Staates ist es, für Recht und Ordnung zu sorgen", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn in einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung". Das sei dem Staat in den vergangenen Jahren aber nicht mehr überall in Deutschland gelungen. "Schauen Sie sich doch Arbeiterviertel in Essen, Duisburg oder Berlin an. Da entsteht der Eindruck, dass der Staat gar nicht mehr willens oder in der Lage sei, Recht durchzusetzen."

Weiter sagte Spahn: "Die deutsche Verwaltung funktioniert sehr effizient, wenn es darum geht, Steuerbescheide zuzustellen. Bei Drogendealern, die von der Polizei zum zwanzigsten Mal erwischt werden, scheinen die Behörden aber oft ohnmächtig." Stadtteile wie Duisburg-Marxloh oder Altenessen in Essen gelten als Problemviertel mit einer hohen Arbeitslosenquote und Kriminalitätsrate.

Duisburgs OB Sören Link. (Archiv)

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Foto: Christoph Reichwein

Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link reagierte empört. "Die Aussagen von Jens Spahn zeugen - freundlich formuliert - von Ahnungslosigkeit", sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion. "Vielleicht hilft es, wenn man Borken oder Berlin mal verlässt und sich vor Ort informiert, bevor man derartige Pauschalurteile fällt." Spahn schüre Vorurteile und würdige mit seinen Äußerungen die Arbeit von vielen Menschen vor Ort herab. "Ich finde es unverschämt und unwahr, der Polizei zu unterstellen, in bestimmte Viertel nicht mehr zu gehen. Das Gegenteil ist der Fall." Link warf dem Gesundheitsminister außerdem vor, respektlos über Duisburg zu sprechen. "Dass Spahn despektierlich von 'Arbeitervierteln' spricht, zeigt deutlich, mit welcher Einstellung er hart arbeitenden Menschen entgegentritt."

Auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zeigte sich verärgert: "Die innere Sicherheit verbessert man nicht mit Interviews und flotten Sprüchen." Die neue Landesregierung arbeite seit neun Monaten mit Hochdruck daran, das unter Rot-Grün verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen. "Dafür brauchen wir keine klugen Ratschläge der Bundesregierung", sagte Reul. Spahn sei aber herzlich eingeladen mitzuhelfen, indem sie die Bundespolizisten statt nach Bayern zurück an die NRW-Bahnhöfe zurückbeordere.

Essens OB Thomas Kufen (CDU) stimmt seinem Parteifreund Spahn hingegen grundsätzlich zu, dass nicht der Eindruck entstehen dürfe, dass Straftaten nicht schnell genug geahndet werden. Dennoch warnt Kufen vor einer Pauschalisierung. Essen sei einer der sichersten Großstädte Deutschlands. Er selbst traue sich selbstverständlich in jeden Essener Stadtteil. Um das Sicherheitsgefühl bei allen Bürgern zu steigern, verdreifache Essen zudem die Kräfte des städtischen Ordnungsdienstes.

"Ausgerechnet ein Minister der Union redet unseren Staat schlecht"

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius hingegen attackierte Spahn für seine Aussagen. "Bund und Länder tun gerade jetzt enorm viel für die innere Sicherheit, es gibt deutlich mehr Polizei, bessere Ausrüstung und viele neue Experten für Cybercrime oder Terrorismus", sagte der SPD-Politiker der "Bild"-Zeitung. "Deshalb ist es unsinnig, wenn ausgerechnet ein Minister der Union, die seit 2005 die Bundesinnenminister stellt, unseren Staat schlechtredet." Auch FDP-Chef Christian Lindner schrieb auf Twitter, er sorge sich um Spahns Erinnerung, da CDU und CSU seit 2005 den Bundesinnenminister stellten. Die innere Sicherheit fällt allerdings zu einem großen Teil in die Kompetenz der Bundesländer.

Unterstützung bekommt Spahn dagegen aus seiner eigenen Partei. "Boris Pistorius sollte nicht von seiner Verantwortung ablenken", sagte der CDU-Innenpolitiker Stephan Harbarth der Nachrichtenagentur dpa. Polizei sei zunächst Ländersache und die Kritik an einzelnen Bundesländern berechtigt. In vielen Bundesländern, in denen die Union in der Regierung sitze, sei die Kriminalitätsbelastung niedrig und die Aufklärungsquote hoch. Wo dagegen die SPD regiere oder regiert habe, "besteht erheblicher Nachholbedarf. So sei etwa in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Polizeidichte ganz besonders gering."

Spahn, der dem konservativen Flügel der CDU zugerechnet wird, stammt aus dem Kreis Borken im Münsterland. Im Kabinett von Angela Merkel ist er für die Themen Gesundheit und Pflege zuständig. Er schaltet sich aber auch regelmäßig in Debatten über andere Themen ein, zum Beispiel Hartz IV und den Islam in Deutschland. Zuletzt hatte er sich in einem Interview mit unserer Redaktion dafür ausgesprochen, dass mehr Pflegekräfte aus dem Ausland nach Deutschland geholt werden. Im Gespräch mit der "Neuen Zürcher Zeitung" sagte der CDU-Politiker zudem, dass er die AfD überflüssig machen wolle.

mit Agenturmaterial

(wer)
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