Kardinal Lehmann Angesichts des Elends Mensch bleiben

Duisburg · Bei seiner ersten Vorlesung im voll besetzten Audimax der Universität in Duisburg gab es von Mercator-Professor Kardinal Lehmann nicht nur philosophische Betrachtungen zum Thema "Fremde und Heimat".

 Die mahnende Stimme von Kardinal Lehmann hat in Deutschland nach wie vor Gewicht. In Duisburg sprach er jetzt im Rahmen seiner Mercator-Professur.

Die mahnende Stimme von Kardinal Lehmann hat in Deutschland nach wie vor Gewicht. In Duisburg sprach er jetzt im Rahmen seiner Mercator-Professur.

Foto: Christoph Reichwein

Der Vortrag von Karl Kardinal Lehmann, dem emeritierten - von seinen Aufgaben befreiten - Bischof von Mainz, sorgte am Dienstagabend für großen Besucherandrang im Duisburger Audimax der Universität Duisburg-Essen. Im Rahmen der Mercator- Professur, die der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in diesem Jahr innehat, sprach der prominente Kirchenmann über das auch derzeit in der Gesellschaft dauerpräsente Thema "Fremde und Heimat im Widerstreit".

Neben einer Vielzahl von Ehrengästen verfolgte auch Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck mit großem Interesse den Ausführungen des Mainzer Bischofs, der 2001 von Papst Johannes Paul II. in den Kardinalsstand erhoben wurde. Unter den aufmerksamen Zuhörern weilte auch der frühere Bundesminister Jürgen Schmude.

Der ehemalige Präses der Synode der Evangelischen in Deutschland (1985 - 2003) ist Kardinal Lehmann, der sich bis heute in besonderer Weise für die Ökumene einsetzt, in vielerlei Hinsicht verbunden. Uni-Rektor Prof. Dr. Ulrich Radtke freute sich, mit dem aktuellen Inhaber der Mercator-Professur nicht nur einen "liberalen Vordenker" und "Brückenbauer", sondern auch ein "ausgewiesenes Schlitzohr" im großen Hörsaal an der Lotharstraße begrüßen zu können.

Damit war die Auszeichnung gemeint, die der vielfach geehrte Kardinal im Jahr 2002 erhielt. Das "Goldene Schlitzohr" wird von einem internationalen Gremium an Persönlichkeiten verliehen, die in "positiv cleverer Weise" weltweit Projekte für bedürftige Kinder fördern.

Dem Thema "Fremde und Heimat" näherte sich Kardinal Lehmann mit einem Rückblick auf die Geschichte der Menschheit. Dabei sei die "Furcht vor dem Fremden" ein Phänomen, das einen "uralten Reflex" der Menschheit widerspiegelt. Die Geschichte habe aber auch immer wieder gezeigt, dass "Angst und Hass" überwunden werden können. Gerade die Bibel gebe in dieser Hinsicht oftmals Orientierung und Hilfestellung, wie Kardinal Lehmann durch das Zitieren zahlreicher Textpassagen aus dem Alten und dem Neuen Testament belegte.

Kardinal Lehmann bezeichnete die Gastfreundschaft als "wichtigste Form der Nächstenliebe" und eine "Tugend aller Christen". Auch das Gebot "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" sei eindeutig und für alle Christen richtungweisend. Der Theologe erwähnte, dass die Kirche in den vergangenen Jahrhunderten immer auch ein "Ort des Asyls" war. Diese Funktion habe in der heutigen Zeit der moderne Rechtsstaat mit dem Asylrecht übernommen. Kardinal Lehmann machte, den Bogen zur aktuellen Flüchtlingssituation spannend, deutlich, dass man es mit einer globalen Entwicklung zu tun habe, der mit regionalen Maßnahmen nicht beizukommen sei: "Auf der Welt gibt es einen Gürtel der Instabilität, mehr als 60 Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht." Neben den politischen Verwerfungen und militärischen Konflikten seien auch ökologische Katastrophen, "die wir selbst verursacht haben", Grund für "die großen Migrationsbewegungen". Bei dieser weltweiten Not bezeichnete Lehmann den von der Politik gerne benutzten Begriff "Wirtschaftsflüchtlinge" als einfach "zu billig". Deutlich wurde der Mainzer Bischof, als er in der anschließenden Diskussion nach einer "Obergrenze" für aufzunehmende Flüchtlinge gefragt wurde. "Wenn jemand im Elend vor einem steht, kann man nicht nach Quantität entscheiden", so Kardinal Lehmann. Für die viel kritisierte Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin zeigte er ebenfalls Verständnis: "Was hätte Angela Merkel denn machen sollen, als die Menschen in großer Not vor unseren Toren standen?"

(pol)
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