Duisburg Kasperle und Eisenbahn unterm Baum

Duisburg · Die Suche nach dem richtigen Weihnachtsgeschenk für die Kinder war auch schon vor hundert Jahren ein wichtiges Thema, obwohl viele Männer an der Front ganz andere Sorgen hatten.

 H. Rapp hat uns dieses Familienfoto zur Verfügung gestellt, das 100 Jahre alt ist und seinen Großvater im Kreis von Kriegskameraden an der Front zeigt.

H. Rapp hat uns dieses Familienfoto zur Verfügung gestellt, das 100 Jahre alt ist und seinen Großvater im Kreis von Kriegskameraden an der Front zeigt.

Foto: Privat/Rapp

Butter- und Brotmarken gehörten vor 100 Jahren beim Einkaufen dazu, vieles auf dem Tisch wurde knapp. Und im Keller wurden die Kohlen gezählt, viele bangten um die Heizvorräte für den Winter. Festliche Stimmung herrschte bei weitem nicht im jedem Hause, denn an vielen Tischen fehlten die Väter, Ehemänner, Brüder und Söhne. Gefallen oder auch an Weihnachten im Einsatz an der Front waren viele.

 Boris Roskothen führt heute das traditionsreiche Spielwarengeschäft und weiß genau, was vor 100 Jahren die Kinder unterm Tannenbaum fanden und (vielleicht) sich auch heute noch wünschen.

Boris Roskothen führt heute das traditionsreiche Spielwarengeschäft und weiß genau, was vor 100 Jahren die Kinder unterm Tannenbaum fanden und (vielleicht) sich auch heute noch wünschen.

Foto: Christoph Reichwein

Das Kriegsweihnachten im Jahre 1915 wird für die meisten Duisburger weit weniger prunkvoll und festlich ausgefallen sein, als es heute der Fall ist. Im ganzen Deutschen Kaiserreich wurden während des Ersten Weltkrieges sogenannte "Liebesgaben" gesammelt - meist Pakete mit Lebensmitteln und Kleidern für die Soldaten. Zur Weihnachtszeit gehörten auch Tannen dazu. So herrschte dann an manchem Stützpunkt an der Front zumindest ein Hauch von weihnachtlicher Stimmung.

Doch trotz Krieg und Engpässen bei Lebensmitteln wanderten auch vor 100 Jahren Geschenke unter den Christbaum. Neben praktischen Dingen wie Kleidern, Unterwäsche oder Tischdecken, gehörte natürlich auch Spielzeug dazu. Und in Duisburg kamen Zinnsoldaten, Eisenbahnen und Kasperle-Puppen aus dem Laden der Familie Roskothen. "Dies sind Klassiker, die auch heute noch gut laufen", erzählt Boris Roskothen, Geschäftsführer des Spielwarengeschäftes auf dem Sonnenwall. Zwar gehe eine Dampfmaschine mittlerweile eher bei wirklich interessierten Liebhabern über die Theke, Modelleisenbahnen seien jedoch nach wie vor ein Renner, erzählt er.

Auch die Handpuppen bei Roskothen sind ein Hingucker, sogar wahres Kulturgut, sagt der Urenkel des Firmengründers. Verschiedene Brettspiele von früher seien ebenfalls immer noch beliebte Geschenke. Da hat Roskothen mittlerweile aber eine viel größere Auswahl zu bieten als sein Urgroßvater. Immer neue Alternativen zu bekannten Spielen wie Schach oder Monopoly lassen sich Spielentwickler einfallen. Wer meint, die Weihnachtseinkäufe würden sich meist auf die Abteilung der Computerspiele beschränken, der irrt. Zwar sei dies unbestritten ein großer Anteil der Verkäufe, jedoch greifen viele - besonders bei Geschenken - auch zu traditionellem Spielzeug, erzählt Boris Roskohen. "Es liegt auch bei uns, den Erwachsenen, den Kindern diese Sachen zu zeigen", sagt er. Er findet zumindest, dass es oft darauf ankommt, was Eltern ihren Kindern von klein auf zum Spielen in die Hand drücken. "Schließlich vermitteln wir auch die Traditionen und die Einstellung zum Spielen."

Kinder haben eine reiche Fantasie und gehen von Natur aus kreativ ans Spielen heran - daran habe sich auch in hundert Jahren wenig geändert, findet Roskothen. Wesentlich geändert habe sich allerdings das Kaufverhalten der Menschen, so seine Erfahrung. Viele bestellten mittlerweile im Internet oder holten sich die Geschenke in großen Kaufhäusern. "Aber eigentlich sind Spielwarenläden eine typische Erscheinung des Stadtlebens", sagt er. So seien die Läden entstanden, weil Menschen in der Stadt nicht die Möglichkeit und die Zeit hatten, Spielzeug selbst zu machen. "Aus diesem Bedarf heraus entstanden einst die ersten Spielzeugläden."

Zeit, die Puppen selbst zu schnitzen, haben heute wohl nur ganze wenige. Das war vor 100 Jahren vielleicht etwas anders. Aber auch damals gab es in Großstädten viele Menschen, die solche Spielwaren lieber im Fachhandel kauften. "Bei unseren regelmäßigen Kunden bestellen wir dann auch mal Artikel, die schwer zu kriegen sind." Eine persönliche Beratung würden die meisten sich trotz Internet bei ihm suchen.

Doch eigentlich kommt es doch darauf an, dass die passenden Sachen unter dem Baum landen. Und wie vor hundert Jahren zaubert das richtige Geschenk ein Lächeln aufs Gesicht und sorgt für Freude beim Auspacken - nicht nur beim Beschenkten.

(RP)
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