Inklusion in Duisburg Konzept gut, Umsetzung mangelhaft

Duisburg · Die Stadtschulpflegschaft beklagt eklatante Missstände beim Unterricht für Schüler mit besonderem Förderbedarf. Viele Sonderpädagogen seien überlastet und dauerhaft krank. Schulbildung werde in Duisburg "kaputtgespart".

"Dringenden Handlungsbedarf" meldet die Stadtschulpflegschaft (Elternschaft Duisburger Schulen) im Bereich des Förderunterrichts und der Förderschulen. Dr. Christina Herold, erste Vorsitzende, sagt es so: "Neben den Problemen, die mangelhafte Ausstattung, marode Schulgebäude und durch Personalabbau deutlich verlangsamte Verwaltungsprozesse mit sich bringen, leiden die Duisburger Schulen nun seit mehreren Jahren unter einem gewaltigen Mangel an Lehrern und vor allem auch an Sonderpädagogen."

Ein Sonderpädagoge ist ein Lehrer, der auf die Unterrichtung und Betreuung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen spezialisiert ist. Sonderpädagogen sind als Lehrer an Förderschulen und Schulen des gemeinsamen Lernens im Einsatz, und haben dort neben der Vermittlung von Unterrichtsinhalten die Aufgabe, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in besonderer Weise zu fordern und zu fördern. Christina Herold: "Angesichts steigender Geburtenraten und Zuwanderung ergibt sich durch den Mangel ein insgesamt unhaltbarer Zustand an Duisburger Schulen."

In der UN-Behindertenrechtskonvention sei, so die Vorsitzende der Stadtschulpflegschaft, Inklusion als Menschenrecht festgeschrieben. In der Regelschule solle die Inklusion möglichst früh stattfinden, da diese Förderung am Ende allen Kindern gleichermaßen zu Gute kommt. Denn beim gemeinsamen Lernen und im Umgang mit Behinderung profitierten auch die Kinder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf, weil die Individualität eines jeden Kindes in den Mittelpunkt des Lernens rücke. Die Gewöhnung an den natürlichen Umgang mit Behinderung schaffe einen gesamtgesellschaftlichen Lernprozess bereits in der Schule, an dessen Ende die "Normalität der Andersartigkeit" in unserer Gesellschaft steht.

In Duisburg haben Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Wahl, ob sie ihre Kinder im gemeinsamen Lernen an einer Regelschule oder an einer Förderschule anmelden. Als eine der wenigen Kommunen in NRW wurde in Duisburg an vielen Förderschulen festgehalten. Zurzeit sind es 17, mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten. Viele Duisburger Eltern, so auch die Erkenntnis der Stadtschulpflegschaft, legten Wert auf die Option, ihr Kind an einem separierten Förderort anzumelden. Gleichzeitig stiegen aber die Anmeldezahlen der Kinder, die im gemeinsamen Lernen unterrichtet werden sollen. Christina Herold: "Aus Mangel an Plätzen bekommen Eltern, die ihr Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Lernen anmelden möchten, jedoch nicht selten nur die Wahl zwischen einer Förderschule und einem einzigen weiteren Förderort, der durch das Schulamt zugewiesen wird. Dies führt bei vielen Eltern zu einer großen Unzufriedenheit und ruft zum Teil große Anstrengungen in verschiedener Hinsicht hervor."

Die Umsetzung dieses Konzeptes für das Zusammenleben der Menschen in unserem Land krankt laut Herold an der Ausdünnung von Ressourcen und "wird zunehmend von einer Realität eingeholt". Die Stadtschulpflegschaft diagnostiziert für Duisburg: Mangel an Räumen für individuelle Förderung und Rückzugsmöglichkeiten, grundsätzlich zu wenige Lehrer und Sonderpädagogen, massiver Unterrichtsausfall wegen Nachwuchsproblemen, Sonderpädagogen, die gleichzeitig an mehreren Schulen eingesetzt werden müssen, Ganztags-Förderschulen, die teilweise nur noch mit reduzierter Stundentafel unterrichten, so dass Eltern gezwungen sind, ihre Arbeitszeiten zu verkürzen oder anderweitig Betreuung organisieren müssen.

"Die pädagogische Arbeit unserer Lehrer wird immer stärker zu einem System der Mangelverwaltung; in Duisburg wird die Inklusion ad absurdum geführt", sagt die Vorsitzende. Die Stadtschulpflegschaft beklagt, dass viele Sonderpädagogen nur noch als "Förderplanüberbringer" dienten, sie seien kaum noch fester Bestandteil eines Kollegiums und hätten keine Zeit mehr, sich ausreichend mit den Kindern zu beschäftigen. Auch überstiegen die Klassenfrequenzen das Maß der guten Beschulbarkeit aller Kinder. Bisweilen würden gar Lehrerzimmer aus Raum-Mangel zu Klassenräumen umfunktioniert. Bisweilen müssten Schulbegleiter und Lehrer Kinder mit motorischen Einschränkungen eigenhändig Treppen hochtragen. Die Stundenzahlen der Sonderpädagogen entsprächen nicht dem festgestellten Förderbedarf der Kinder.

Viele Sonderpädagogen würden, so Herold, der Belastungssituation nicht mehr standhalten und blieben dauerhaft krank. Eine weitere Folge sei, dass viele Kinder bildungsmäßig weit unter ihren Möglichkeiten blieben. Herold: "Wir haben kein Verständnis dafür, dass die Schulbildung in unserer Stadt seit Jahren systematisch kaputtgespart wird. Wir fordern für Duisburg schnellere Lösungen von den Amtsträgern, die dafür Sorge zu tragen haben, dass unseren Kindern das Recht auf eine gute Schulbildung zukommt, welche ihnen per Gesetz zusteht."

(pk)
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