Duisburg Landung im Niemandsland

Duisburg · Gestern startete die Ruhrtriennale in Dinslaken. Heute ist neben weiteren Ruhrgebietsstädten auch Duisburg an der Reihe - genauer gesagt Duisburg-Ruhrort -, unter anderem mit der Kunst-Installation "Nomanslanding".

 Eine Kunst-Installation der ganz besonderen Art ist "Nomanslanding" im Ruhrorter Eisenbahnhafen, hier aus der Vogelperspektive. Die Eröffnung im Rahmen der Ruhrtriennale ist am heutigen Samstag um 16 Uhr.

Eine Kunst-Installation der ganz besonderen Art ist "Nomanslanding" im Ruhrorter Eisenbahnhafen, hier aus der Vogelperspektive. Die Eröffnung im Rahmen der Ruhrtriennale ist am heutigen Samstag um 16 Uhr.

Foto: Christoph Reichwein

Gestern wurde im Kreativquartier Lohberg, auf dem ehemaligen Zechengelände in Dinslaken, die Ruhrtriennale unter der Leitung des neuen Intendanten Johan Simons eröffnet. Heute setzt das Festival der Künste seinen insgesamt sechs Wochen dauernden Veranstaltungsreigen fort - unter anderem in Duisburg im dortigen Kreativquartier Ruhrort mit der Installation "Ausstellungsstück", das Schaufensterkunst in vier leerstehenden Ladenlokalen zeigt, vor allem aber mit der Europa-Premiere von "Nomanslanding". Hinter diesem Projekt verbirgt sich eine von Ufer zu Ufer begehbare, schwimmende Kunst-Installation, geschaffen von fünf international renommierten Künstlern: Diese sind Robyn Backen, Nigel Helyer und Jennifer Turpin aus Australien, Andre Dekker aus den Niederlanden sowie Graham Eatough aus Großbritannien. Eröffnet wird das besondere Gemeinschaftswerk heute Nachmittag um 16 Uhr im ehemaligen Ruhrorter Eisenbahnhafen.

"Nomanslanding" ist eine Koproduktion von Urbane Künste Ruhr und Ruhrtriennale (im Ruhrorter Eisenbahnhafen in Duisburg/Deutschland), mit Glasgow Life und Merchant City Festival (am Fluss Clyde in Glasgow/Schottland) und mit Sydney Harbour Foreshore Authority und NSW Centenary of ANZAC (im Darling Harbour von Sydney/Australien). Die Kuratoren der Gemeinschaftsproduktion sind Katja Aßmann (Deutschland), Michael Cohen (Australien) und Lorenzo Mele (Schottland). Im April des Jahres war die Uraufführung in Sydney, hier und jetzt gibt es die Europa-Premiere und im Juli des nächsten Jahres ist "Nomanslanding" in Glasgow zu sehen.

Die Multimedia-Installation ist über zwei je 35 Meter lange, auf dem Wasser schwimmende Stege von einander gegenüberliegenden Uferseiten erreichbar. Diese enden an zwei jeweils zwölf mal zwölf Meter großen beweglichen Plattformen, auf denen sich zwei Muschelhälften befinden, acht Meter voneinander durch Wasser getrennt, die sich dann aber auf der Wasseroberfläche allmählich zu einer fünf Meter hohen, aus Holz verkleideten kugelförmigen Kuppel mit einem Durchmesser von zehn Metern zusammenfügen. Diese Vereinigung besorgt ein angeheuerter Fährmann. Die Gesamtlänge der Installation misst von Ponton zu Ponton etwa 83 Meter, das Gesamtgewicht beträgt 18 Tonnen.

In dem geschlossenen, sich allmählich verdunkelnden Innenraum erwartet die Besucher eine aus Tönen und Gesängen, Geräuschen und gesprochener Sprache bestehende Sound-Collage. Im Zentrum dieser steht das Klagelied "Lament", das von Ben Fink und Cora Schmeiser vertont sowie von Andre Dekker und Graham Eatough getextet wurde und dessen Arie live eingesungen wird.

Zur Eröffnung wird dies die Sopranistin Cora Schmeiser übernehmen. Ansonsten teilen sich die täglich 18 stattfindenden Auftritte vier Gesangsstudentinnen der Essener Folkwang-Universität. Diese haben vorab einen Refrain ("Erspar' uns die Tränen") eingesungen, der auf Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Tschechisch, Türkisch und Niederländisch chorisch eingespielt wird. Neben dem Klagelied gibt es ebenfalls mehrsprachig Textfragmente und Aphorismen zu hören, darunter "Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein" (Nietzsche), die auf die drei Spielorte in Sydney, Ruhrort und Glasgow anspielen und die Vergangenheit dieser Hafenregionen während der beiden Weltkriege und des späteren Industriezeitalters ins Bewusstsein der Menschen zurückholen.

"Nomanslanding" ist ein Wortspiel und heißt in dieser Weise geschrieben auf Deutsch übersetzt soviel wie "Niemandsland(ung)", in dieser Weise aber geschrieben "No man's landing" (Apostroph: RP), frei übertragen soviel wie "Kein Mann landet", sprich: kein Soldat. Dazu Robyn Backen und Andre Dekker: "Mit 'Nomanslanding' wollten die Auftraggeber an Wasser und Hafen erinnern lassen, mehr noch aber an den Ersten Weltkrieg, mit Schützengräben und Niemandsland. Doch die Kriege hören nicht auf. Und so ist das Kunstwerk am Ende eher eine Art Gedenk- und Trauerstätte für alle Kriegstoten dieser Erde geworden."

Ruhe und Stille bewahren und zugleich bezaubern und bedrängen wollen, das sei ihre Mission, sagen die beiden Künstler. Doch im Zeichen der gegenwärtigen Flüchtlingsströme könnte das Projekt auch als Landung oder besser noch als ein Stranden von Flüchtlingen im Nirgendwo verstanden wissen. Denn das, was das Niemandsland für die Flüchtigen heute ausmacht, liegt mitten im Wasser (sprich im Mittelmeer) und erschafft einen Ort, wo sich Menschen begegnen, die aus aller Herren Länder zusammenkommen, deren Zukunft allerdings mehr als ungewiss ist.

(RP)
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