Duisburg Loveparade: Anklage gegen zweite Reihe

Duisburg · Für die Loveparade-Katastrophe werden zehn Personen wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung angeklagt. Darunter sind weder der Polizeiführer und der Veranstaltungschef noch der damalige Oberbürgermeister Sauerland.

Staatsanwaltschaft über Anklage in Loveparade-Unglück
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Staatsanwaltschaft über Anklage in Loveparade-Unglück

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Die Staatsanwälte betreten die Rheinhausenhalle in Duisburg durch den Hintereingang. Begleitet von Justizvollzugsbeamten kommen die Juristen gestern Morgen um 10 Uhr in den Saal, in dem bereits rund 100 Journalisten auf sie warten. Nach einer kurzen Begrüßung und anfänglichen Tonproblemen mit den Mikrofonen beginnt die Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Duisburg zur Anklageerhebung im Fall der Loveparade-Katastrophe, bei der vor dreieinhalb Jahren 21 Menschen ums Leben kamen und 652 schwer verletzt wurden. Angehörige und Betroffene müssen draußen vor der Halle bleiben. Sie dürfen nicht an der Veranstaltung teilnehmen.

Der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Bien betont direkt zu Beginn, dass es bei der Anklage nur um die strafrechtliche Aufarbeitung gehe — und nicht um die politische oder moralische Schuld. Und strafrechtlich zu belangen seien nur sechs Bedienstete der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter der Veranstaltungsfirma Lopavent.

Insbesondere gegen den damaligen Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU), der vor zwei Jahren durch einen Bürgerentscheid abgewählt wurde, lägen keine Erkenntnisse vor, dass er selbst Einfluss auf die fehlerhafte Planung oder die Erteilung rechtswidriger Genehmigungen gehabt habe. "Er musste auf das Urteil seiner Mitarbeiter vertrauen", sagt Bien. Das Gleiche gelte für den Veranstalter der Loveparade, Rainer Schaller. Dieser habe die konkrete Durchführung auf acht Mitarbeiter seiner Firma Lopavent übertragen und nicht in die Planungen eingegriffen.

Ebenfalls nicht angeklagt wird der Dezernent für Sicherheit und Recht der Stadt Duisburg. Er hat laut Staatsanwaltschaft zwar als Koordinator Einfluss auf die Planungen genommen. Für die erforderliche Baugenehmigung sei er aber nicht zuständig gewesen. "Es war nicht seine Pflicht, das baurechtliche Verfahren zu überprüfen. Er war auch nicht verantwortlich für alles, was in den anderen Ämtern ablief." Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) tritt am Mittag vor die Presse. In einer Stellungnahme, zu der keine Zwischen- und Nachfragen erlaubt waren, erklärt er, dass gegen die angeklagten städtischen Mitarbeiter ein Disziplinarverfahren eingeleitet werde. Dieses Vorgehen sei mit der Kommunalaufsicht abgestimmt. "Bis zur Entscheidung des Gerichts gilt aber weiterhin die Unschuldsvermutung", sagt er. Gleichzeitig bedauert Link indirekt, dass gegen seinen Rechtsdezernenten strafrechtlich nicht ermittelt werde. Der OB erinnert daran, dass am 7. April im Stadtrat die Wiederwahl des Beigeordneten auf der Tagesordnung stehe. "Ich gehe davon aus, dass die Ratsmitglieder dann den Aspekt der politischen Verantwortung in ihrer Entscheidung berücksichtigen werden." Duisburgs Stadtoberhaupt betont, dass es ihm nicht nur um strafrechtlich relevante Schuld gehe, sondern auch um politische und moralische Verantwortung.

Bei den angeklagten Mitarbeitern von Lopavent handelt es sich um den Gesamtleiter, den Produktionsleiter, den Sicherheitschef und den technischen Leiter der Loveparade. "Das von ihnen geplante Zu- und Abgangssystem war nicht geeignet, die Besucher sicher auf das Veranstaltungsgelände zu führen", erklärt Oberstaatsanwalt Schwarz. Vor allem die Rampe, an der es zu der Massenpanik kam, sei zu eng gewesen für die 445 000 Menschen, die über den Tag verteilt auf das Gelände strömen sollten. "Deshalb musste es zwangsläufig zu lebensgefährlichen Situationen kommen", erläutert Schwarz. Der Zugangsbereich maß nach Angaben der Staatsanwaltschaft an der schmalsten Stelle 18,28 Meter. "Durch die Aufstellung von Zäunen wurde diese Stelle weiter auf 10,59 Meter verkleinert", erklärte Schwarz. Wer genau die Zäune aufstellen ließ, konnte die Staatsanwaltschaft gestern nicht sagen. "Nach unseren Ermittlungen tragen aber alle zehn Angeklagten dafür die Verantwortung", sagt der Jurist.

Den Bediensteten der Stadt wirft die Anklagebehörde vor, die Baugenehmigung erteilt zu haben. "Sie hätten erkennen müssen, dass die Loveparade wegen der Planungsfehler des Veranstalters undurchführbar und daher nicht genehmigungsfähig war", sagt Schwarz. Außerdem hätten es die Mitarbeiter unterlassen, die Vorgaben der Genehmigung am Veranstaltungstag zu kontrollieren, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wären.

(RP)
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