Nach Loveparade-Tragödie in Duisburg Loveparade-Opfer klagen gegen die Polizei

Nach Loveparade-Tragödie in Duisburg · Duisburg (RP). Heute will der Innenausschuss im Landtag erste Antworten auf Fragen nach den Ursachen für das Unglück auf der Loveparade geben. Für einige verletzte und traumatisierte Opfer steht aber bereits fest, wer mitverantwortlich ist: Sie erheben schwere Vorwürfe gegen Polizisten am Einsatzort.

Loveparade: Demo vor dem Duisburger Rathaus
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Dominik Pavone (26) quälen starke Magenkrämpfe. "Ich habe so eine Wut im Bauch, dass es weh tut", sagt er. Nur dank der Wirkung von Medikamenten erträgt der junge Mann aus Oberhausen die Schmerzen halbwegs. Seit der Loveparade-Katstrophe vor elf Tagen kann er nicht mehr richtig schlafen und essen. Alpträume verfolgen ihn. Die Bilder von den Toten und Verletzten lassen Dominik Pavone nicht mehr los. Sein Zorn richtet sich gegen die Polizei, der er die Hauptschuld für die Tragödie gibt. Der junge Mann erhebt schwere Vorwürfe gegen einige Beamte. "Die haben nicht geholfen, als die Massenpanik ausbrach, sondern haben nur zugeschaut", behauptet er. "Erst als Tote und Verletzte am Boden auf der Rampe zu sehen waren, sind die meisten von ihnen eingeschritten." Einen Beamten will der Oberhausener deswegen wegen unterlassener Hilfeleistung anzeigen. "Er darf nicht ungestraft davonkommen", fordert Pavone.

Mit seiner Freundin Yvonne Schroeder (20) rettete sich der 26-Jährige im "letzten Moment" aus dem Pulk , in dem 21 Menschen ums Leben kamen und mehr als 500 verletzt wurden. Helfer zogen die beiden vom Container, in dem der Crowd-Manager (engl. crowd für Masse) hilflos festsaß, eine fünf Meter hohe Mauer rauf. Dabei sollen die Retter von Polizisten massiv behindert worden sein. "Sie forderten die Helfer auf, die Menschen nicht weiter die Mauer hochzuziehen und schubsten sie weg. Zudem haben sie die Seile eingeholt, die zur Rettung in den Kessel runtergelassen wurden", sagt Pavone. Nachdem der 26-Jährige und seine Freundin in Sicherheit waren, versuchte er die dramatischen Szenen mit seiner Handykamera zu filmen. "Aber ein Polizist hat mich angebrüllt und mir das Handy aus der Hand geschlagen", sagt er. Den Polizisten, den er anzeigen möchte, konnte er trotzdem aufnehmen. Auf dem kurzen und sehr wackeligen Video, das unserer Zeitung vorliegt, ist zu sehen, wie ein Polizist nach dem Handy schlägt und drei weitere Polizisten die Massenpanik filmen. "Die standen einfach auf der Mauer und haben gefilmt, während unter ihren Füßen Menschen um ihr Leben kämpften — unfassbar. Wieso haben die nicht geholfen?", fragt Pavone. Einen Tag nach der Tragödie behauptete die Polizei noch, nicht gefilmt zu haben.

Mittlerweile gehen immer mehr solcher oder ähnlicher Anzeigen von Loveparade-Besuchern gegen den Polizeieinsatz am Todestunnel bei der Staatsanwaltschaft und der Polizei Duisburg ein. Das bestätigt Rolf Haferkamp von der ermittelnden Duisburger Staatsanwaltschaft. Wie viele es genau sind, konnte er noch nicht sagen — aber es werden täglich mehr. Frühestens am Freitag will die Staatsanwaltschaft konkrete Zahlen nennen.

Der Duisburger Jürgen Hagemann ist einer der Kläger. Seine 16-jährige Tochter erlitt schwere Beinverletzungen bei der Massenpanik und lag fünf Tage in einem Krankenhaus. Sie kann zurzeit nur mit Krücken laufen. "Sie lag mit anderen zusammengequetscht in der Nähe der Treppe am Boden", berichtet der besorgte Vater. "Wir wollen zumindest Schmerzensgeld dafür haben." Hagemann möchte aber nicht alleine klagen und ruft im Internet unter www.loveparade-sammelverfahren.de alle Opfer der Tragödie auf, sich zusammenzuschließen. Gleichzeitig schaltete er die Düsseldorfer Anwaltskanzlei "Baum, Reiter & Collegen" des ehemaligen Innenministers Gerhart Baum (FDP) ein.

"Wir nehmen Mandate von Opfern entgegen", bestätigt Rechtsanwalt Julius Reiter. Der Jurist macht aber darauf aufmerksam, dass Sammelklagen in Deutschland nicht möglich seien, sondern jeder Fall individuell behandelt werde. Die Anwaltskanzlei hatte schon die Opfer der Ramstein-Katastrophe und des Concord-Unglücks vor zehn Jahren vertreten.

(RP)
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