Fünf Jahre nach der Bluttat von Duisburg Mafiamorde: Polizei packt aus

Duisburg · Heute vor fünf Jahren wurden nahe dem Duisburger Hauptbahnhof sechs Menschen getötet. Ein Fahnder verrät erstmals, wie dicht die Beamten den Mafia-Mördern schon wenige Wochen nach der Tat auf der Spur waren.

Chronik der Duisburger Mafia-Morde
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Foto: ddp

Die Nacht vom 14. auf den 15 August 2007: Vor einem italienischen Restaurant in Nähe des Hauptbahnhofes findet die Polizei fünf Tote und einen Sterbenden, Auf alle ist geschossen worden. Sie waren kurz vorher aus dem "Da Bruno" gekommen und offensichtlich von ihren Mördern erwartet worden. Unter den Toten ist der Restaurantbetreiber. Die übrigen waren seine Angestellten. Der Jüngste ist gerade mal 16 Jahre alt und der Einzige, der in die Zusammenhänge, die der Grund für die Morde waren, nicht verstrickt war. Es war sozusagen Pech, dass er seine Lehre ausgerechnet in dem Restaurant mit dem bis dahin so guten Renommee machte, das allerdings von einem mafiösen Kalabresen aus San Luca geführt wurde.

Das Verbrechen offenbarte der deutschen Öffentlichkeit in noch nie dagewesener Deutlichkeit, wie weit die Finger der vier Mafiaorganisationen Cosa Nostra, Camorra, 'Ndrangheta und der weniger bekannten apulischen Sacra Corona Unita in unser Land hineinreichen. Besonders deutlich wurde, dass die 'Ndrangheta Nordrhein-Westfalen offensichtlich schon seit Jahren als Rückzugsgebiet und Operationsbasis benutzte.

Zu den Wenigen, die etwas gewusst haben, gehörte aufgrund seiner Arbeit damals schon Holger Haufmann (54), Kriminaldirektor in Duisburg und Leiter der nach dem Tatort benannten Mordkommission "Mülheimer Straße". Bereits zwei Wochen nach der Bluttat hätten er und seine Kollegen verkünden können, die familiären Hintergründe von Opfern und Täter und den Grund für die Morde zu kennen. "Doch wir mussten aus ermittlungstaktischen Gründen fast ein Jahr lang weitgehend schweigen, auch wenn wir öffentlich immer wieder unter Druck gerieten", sagt er heute.

Die Ermittlungen ergaben rasch, dass der kalabrische Ort San Luca, wo die Verbrecherorganisation 'Ndrangheta das Sagen hat, Heimat von Opfern und Tätern war. Sie gehörten zu zwei verfeindeten Familien, die sich schon seit langem bekriegten. Auslöser für die Duisburger Taten war der Mord an der 33-jährigen Ehefrau eines der Clan-Chefs. Der vermeintliche Mörder setzte sich nach der Tat zu seinen Verwandten nach Deutschland ab. Er war unter den Opfern der Duisburger Mordnacht.

"Doch die Aufmerksamkeit, die diese Morde ausgelöst haben, war überhaupt nicht im Sinne der 'Ndrangheta-Fürsten. Sie waren darüber so aufgebracht, dass sie schon kurz nach der Tat in Duisburg die Beendigung dieser Familienfehde vereinbarten", berichtet Haufmann. An diese Order hätten sich beide Familien bis heute auch gehalten.

Daraus dürfe man aber nicht den Schluss ziehen, dass die 'Ndrangheta in Deutschland gegenwärtig weniger aktiv sei. "Aber eben nicht mit Kapitalverbrechen wie Mord", so Haufmann. Unterschlagungen, Geldwäsche, Drogengeschäfte — die Polizeibehörden in Deutschland hätten das aus Italien importierte organisierte Verbrechen im Blick, versichert der Fahnder.

Der Haupttäter der Morde vor dem "Da Bruno", ein ehemaliger Pizzeriabesitzer aus Kaarst, ist nach langer Fahndung gefasst und vor gut einem Jahr zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden, seine beiden mutmaßlichen Komplizen stehen in Italien wegen der Morde noch vor Gericht. Gegen möglicherweise weitere Beteiligte wird ermittelt.

So furchtbar die blutige Tat vor dem Restaurant im Duisburger Stadtteil Neudorf war, so wurde das Urteil gegen den Haupttäter in der Stadt doch eher beiläufig zur Kenntnis genommen. Ein anderes grausiges Ereignis hatte die Stadt inzwischen heimgesucht: Die Love-parade-Katastrophe mit 21 Toten vom 24. Juli 2010 hatte sich inzwischen ungleich tiefer ins öffentliche Bewusstsein eingegraben als die Morde an sechs Italienern mit Mafia-Verbindungen.

(RP/jco)
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