Rp-Serie Duisburger Geschichte Und Geschichten Mercator-Porträt als Erstlingswerk

Duisburg · Hendrick Goltzius war ein virtuoser Kupferstecher, Zeichner, Maler und Unternehmer. Vor 400 Jahren starb der große Kupferstecher, Zeichner, Maler und Medienunternehmer, dessen künstlerischer Aufstieg in Duisburg begann.

Mercatorporträt, muskelbepackte Heroen, erotische Körperbilder und biblische Szenen: Kupferstiche von Hendrik Goltzius faszinieren. Wer aber war nun dieser Hendrik Goltzius, der vor 400 Jahren in der Neujahrsnacht 1617 in Haarlem verstarb, 59 Jahre alt, der seine Kindheit und Jugend in Duisburg verbrachte?

Die Legende sagt, dass Goltzius in der Kindheit eine Verbrennung an der rechten Hand erlitten habe. Aus einem schicksalhaften Unfall sei ein eiserner Wille erwachsen, der zu einer virtuosen Beherrschung im Umgang mit dem Stichel führte. Goltzius überzeugte schon früh durch sein begnadetes Zeichentalent.

Im Alter von drei Jahren zog der kleine Hendrik 1561 mit seiner Familie von Brüggen-Bracht nach Duisburg. Der hochbegabte Junge erlernte die Glasmalerei. Früh faszinierte ihn der Kupferstich. Den Impuls dafür könnte der Kontakt mit Gerhard Mercator ausgelöst haben. 1574 erschien nämlich ein Porträt des bedeutenden Kosmographen, das von Hendrick Goltzius gezeichnet und gestochen wurde. Es war das Erstlingswerk des später so berühmten Kupferstechers. Im selben Jahr verließ der 16-jährige Hendrick Duisburg und begann eine Lehre als Kupferstecher in Xanten bei Dirck Volkertsz Coornhert, einem bekannten niederländischen Kupferstecher, Humanisten, Theologen und Politiker. Die Ausbildung bei Meister Coornhert verschaffte Goltzius nützliche Kontakte zu Kunstgelehrten und Malern in Haarlem. Als der streitbare Glaubensflüchtling Coornhert 1577 nach Haarlem zurückkehren konnte, folgten ihm Goltzius und seine Eltern. Haarlem war damals der Hotspot der Kunstszene. Der selbstbewusste Goltzius reizte in Haarlem seine Form- und Stilgrenzen lustvoll aus. Goltzius wusste, was er konnte. Und er wusste es früh. Er entwickelte eine Technik mit an- und abschwellenden Linien und schraffierenden Überlagerungen zur Perfektion. Die Plastizität der Formen beeindruckte. Seine Produktpalette war vielseitig: Vom Porträt über römische Krieger-Darstellungen und Landschaften bis hin zu mythologischen und biblischen Szenen.

Eine Lungenkrankheit machte Goltzius allerdings immer wieder zu schaffen. Eine Italienreise sollte ihn physisch und psychisch aufbauen. Die Reise gab Goltzius 1590/91 Gelegenheit zu intensivem Studium alter Meister, in dessen Folge sich sein vormals so extravaganter Stil wandelte. Gesundheitlich ging es ihm wieder besser. Zurück in Haarlem, setzte Goltzius mit frisch gesteigertem Selbstgefühl zum Wettstreit mit den größten Künstlern der Vergangenheit an: Indem er Raffael und Dürer kopierte, will er sie gleichzeitig übertreffen. Goltzius produzierte sechs Meisterstiche, die jeweils den Stil eines berühmten Künstlers wiedergeben, und brachte damit zum Ausdruck: Ich kann das alles. Diese Meister konnten nur ihren Stil, aber ich kann alle Stile, also bin ich der Größte von allen.

Schon in jungen Jahren hatte Goltzius den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Das Vermögen seiner deutlich älteren Frau, die er als 21-Jähriger geheiratet hatte, war als Startkapital äußerst hilfreich. 1582 gründete er drei Jahre nach der Heirat in Haarlem eine eigene Graphik-Werkstatt, um den Herstellungsprozess vom Entwurf bis zum Druck und Vertrieb in einer Hand zu bündeln. Den Wagemut in der Kunst verband er mit kaufmännischen Zielen; er bediente ein Massenmedium mit dem sich günstig Kopien herstellen lassen. Das Startup-Unternehmen wuchs und wuchs. Er bildete zusätzlich zu seinem Stiefsohn junge Kupferstecher aus. Das erleichterte die arbeitsteilige Erstellung seiner Produkte. Er lieferte höchste Qualität an Kunden in Amsterdam, Frankfurt, Venedig, Rom, Paris und London. Zielgruppe waren Fürsten, kirchliche Würdenträger, wohlhabende Bildungsbürger. Offenbar weil es danach viel Nachfrage gibt, zeichnete er auch freizügige erotische Sujets. So hielt er sein Medienunternehmen über alle Zeit- und Kriegswirren hinweg gut ausgelastet.

1595 stellte ihm Kaiser Rudolph II. ein Privileg aus, das den Nachdruck seiner Arbeiten bei Strafe für den Zeitraum von sechs Jahren im Reichsgebiet verbot. Ein einträgliches Sonderrecht. Wie geschätzt seine Arbeiten waren, zeigte sich an den gezahlten Preisen. So erhielt er 1592 für die Anfertigung zweier Porträtstiche und 500 Abzügen den Betrag von 216 Gulden. Das entsprach dem Jahreslohn eines holländischen Handwerkers. Er war nun ein erfolgreicher und wohlhabender Medienunternehmer. Um 1600 ereignete sich dann erneut ein radikaler Umbruch im Leben und Werk Goltzius: Der Kupferstecher übergab die Werkstatt seinem Stiefsohn Jacob Matham und konzentrierte sich nunmehr ausschließlich auf die Malerei. Sein Lebenswerk zeigt, dass Kunst und Unternehmertum sich nicht widersprechen müssen. Herausragend bleiben seine manieristischen Druckgrafiken bis zum heutigen Tage auch als Geldanlage: 2,3 Millionen Pfund brachte vor zwei Jahren der Kupferstich in der Auktion bei Christie's die deformierte rechte Hand von Hendrik Goltzius.

Zum Weiterlesen: Der Kupferstecher Hendrick Goltzius und Duisburg. Zeitlupe / Kultur- und Stadthistorisches Museum, Ruth Löffler, Stephanie Paufler.

(RP)
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