Duisburg Missbrauchs-Geschichte als Theater-Fest

Duisburg · Das Schauspiel Dortmund gastierte mit "Das Fest" nach dem Film von Thomas Vinterberg und Mogens Rukov.

Duisburg: Missbrauchs-Geschichte als Theater-Fest
Foto: Birgit Hupfeld

Der angesehene Hotelier und Familienpatriarch Helge Klingenfeldt-Hansen feiert seinen 60. Geburtstag und lädt Freunde und Familie auf seinen ländlichen Familiensitz. Auch drei seiner Kinder reisen an: Christian, der mittlerweile ein Restaurant in Paris betreibt; Helene, die zum Entsetzen der Familie mit ihrem neuen Freund Gbatokai kommt, und der jüngste Sohn Michael mit Frau Mette und Tochter Dorthe - letzterer nach einem Alkoholexzess bei der letzten Feier hier eigentlich unerwünscht. Nur Linda, Christians Zwillingsschwester, fehlt - erst vor kurzer Zeit hat sie sich das Leben genommen. Als Christian bei seiner Tischrede von jahrelangem sexuellem Missbrauch von Vater Helge an ihm und seiner Schwester Linda spricht, brechen nach und nach alte Wunden auf, von denen keiner etwas wissen will. Erst als Helene allen einen Brief von Linda vorliest, den sie zuvor gefunden hatte und in dem diese den Missbrauch als Grund für ihren Selbstmord bestätigt, brechen die Illusionen endgültig zusammen.

Helge erklärt noch "Ihr wart nicht mehr wert", bevor er von Michael brutal zusammengeschlagen wird und dann erst um Entschuldigung bittet.

Das ist "Das Fest", 1998 ein Film von Thomas Vinterberg und Mogens Rukov, einer der ersten nach dem dänischen "Dogma"- Manifest, das unter anderem von Vinterberg und Lars von Trier unterzeichnet wurde und eine neue "keusche" Ästhetik verlangte. "Das Fest" wurde schon mehrfach für das Theater adaptiert, zuletzt 2013 in Dortmund. Jetzt gastierte dieses wahre Theater-Fest im gut gefüllten Duisburger Theater. Video im Schauspiel ist ja eigentlich ein alter Hut, hier aber wurde das ganz neu erfunden. An einem Schienenkreis hängt ein Kameraroboter, hinter dem die 13 Darsteller ständig dicht gedrängt herlaufen müssen. Wir als Zuschauer können wählen, ob wir auf die Nahaufnahme auf dem Gazevorhang sehen oder auf die "Machart" dahinter, wo die Schauspieler auch Pappkulissen in die Kamera halten.

Das zeigt uns erstklassige Mimen, die sowohl den schrägen Humor als auch die abgrundtiefe Trauer des Textes lustvoll herüberbringen, auch mit viel Spaß an der skurrilen Verkleidung.

Da ist Björn Gabriel als melancholisch Getriebener Christian, da ist Julia Schubert als quengelige kleine Dorthe (auf Knien rutschend), die immer dem gerade autoritärsten Erwachsenen nachplappert, und als mitfühlende Servicekraft Pia, da ist Bettina Lieder als zuerst oberflächliche und später herzzerreißende Helene, da ist der massige Andreas Beck als bedrohlich jovialer Helge, da ist Frank Genser als schmieriger Toastmaster Helmut "aus Köln an der Ruhr".

Alle zusammen boten sie eine außergewöhnliche Ensembleleistung - wie Regisseur Kay Voges in Duisburg berichtete, auch mit etwas Wehmut über die vorerst letzte Aufführung dieser Produktion.

Auch heute Abend, 20 Uhr, gibt es ein Theaterfest im Opernfoyer zu erleben: Gespielt wird "Bin nebenan" von Ingrid Lausund in der vorzüglichen Inszenierung von Michael Steindl. Karteninfo unter der Telefonnummer 0203 28362100.

(RP)
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