Rp-Serie Duisburger Geschichte Und Geschichten ... mit dem Beile zum Tode zu bringen

Duisburg · Als Hochverräter verfolgt, zum Tode verurteilt, aus der Festungshaft geflohen, später begnadigt, dann Tabak-Unternehmer in Baltimore. Gustav Böningers Lebensstationen spiegeln die Umbruchzeiten in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts wider.

 Gustav Böninger war der Sohn reicher Duisburger Tabakfabrikanten. Sein Lebensweg war mehr als abenteuerlich.

Gustav Böninger war der Sohn reicher Duisburger Tabakfabrikanten. Sein Lebensweg war mehr als abenteuerlich.

Foto: Stadtarchiv

Sie schwenkten schwarz-rot-goldene Fahnen: Am 27. Mai 1832, einem strahlenden Pfingstsonntag, trafen sich rund 20.000 Menschen auf dem Hambacher Schloss in der Pfalz. Demonstrationen waren streng verboten, daher tarnten die Organisatoren das Treffen als Volksfest. Patriotisch gesinnte Bürger, Handwerker, Bauern und Tagelöhner demonstrierten für Pressefreiheit, Einheit und Volkssouveränität. Darunter befand sich der Jurastudent Gustav Böninger.

Der stammte aus einem begüterten Elternhaus in Duisburg. Dort kamen er und sein Zwillingsbruder am 26. November 1809 zur Welt. Seinen Eltern, Konrad Arnold Böninger und Katharina Böninger (geb. Carstanjen) gehörte die größte Duisburger Tabakfabrik.

Nach seinem Abitur nahm Gustav ein Jurastudium auf. Die Universitäten Bonn und Heidelberg waren damals die Hochburgen der Burschenschaften. Es war für Gustav selbstverständlich, sich dort zu engagieren. Die Patrioten verband die feste Überzeugung, man müsse den verkrusteten Obrigkeitsstaat mit seinem Unterdrückungsapparat zu einem demokratischen Rechtsstaat wandeln. Pressezensur und Verfolgung "revolutionärer Umtriebe und demagogischer Verbindungen" bestimmten das innenpolitische Klima. Professoren und Mitglieder patriotischer Vereinigungen wurden vom Staatsdienst ausgeschlossen.

Bereits die Teilnahme am Hambacher Fest galt als verdächtig. Die Teilnehmer des Hambacher Festes, so auch Gustav Böninger, gerieten ins Visier der Fahnder. Das schreckte den jungen Revolutionär und seine Mitstreiter nicht. Sie stürmten ein Jahr später im April 1833 die Frankfurter Hauptwache. Das sollte als revolutionäres Signal wirken - endete aber kläglich.

Die Untersuchungsbehörde vermutete unter den Verdächtigen auch Böninger. Vermutlich wurde Gustav Böninger 1834 als "einer der eifrigsten Anhänger der Burschenschaft" und Teilnehmer am ,Hambacher Fest' denunziert.

Am 9. Mai 1834 erfolgte die Verhaftung. Auf Teilnahme an burschenschaftlichen Aktivitäten stand die Todesstrafe. Das Kammergerichtsurteil vom 4. August 1836 bestätigte die Befürchtung: "Wegen seiner Teilnahme an der hochverräterischen burschenschaftlichen Heidelberger Verbindung und am Pressverein mit dem Verlust der Nationalkokarde und der Konfiskation seines Vermögens zu bestrafen und mit dem Beile vom Leben zum Tode zu bringen."

Die Familie Böninger reagierte betroffen und reichte Gnadengesuche ein. Sein älterer Bruder Carl, der die Geschäftsführung der Tabakfirma in Duisburg innehatte, beantragte, die "Entlassung ins Ausland" zu gewähren. Er bot zudem an, dass sein Bruder sofort nach Amerika auswandern würde. Da hatte Carl vermutlich die geplante Niederlassung in Baltimore im Blick. Die Auswanderung wurde von der Obrigkeit strikt abgelehnt, obwohl Carl Böninger zu den Honoratioren der Stadt Duisburg zählte und bestens vernetzt war. Immerhin erhielt die Urteilsverkündung die Passage, dass die Todesstrafe "durch königliche Gnade" in 30-jährige Festungshaft gemildert worden sei. Keine hoffnungsfrohe Perspektive. In der Nacht vom 27. zum 28. Mai 1838 gelang es dem Gefangenen, aus dem Garnison-Lazarett der Festung Silberberg zu entkommen. Er wurde von der Königlich Preußischen Kommandatur steckbrieflich gesucht. Doch die abenteuerliche Flucht über Frankreich und Lüttich/Belgien in die USA glückte. Selbst der Duisburger Bürgermeister Adolf Junkermann erklärte unverhohlen seine Freude und beglückwünschte die Familie. Gustav Böninger wandelte sich in den USA vom Revolutionär zum Unternehmer. Er gründete 1840 zusammen mit seinem Zwillingsbruder Rudolf das Tabak-Einkaufshaus "Brothers Böninger" in Baltimore/ USA. Seine verwitwete Mutter besuchte Gustav am 30. Dezember 1840 in Duisburg. Sie hatte während seiner Abwesenheit weiter Gnadengesuche eingereicht. Gustav unterschrieb den Antrag und wurde 1841 begnadigt.

Aber ihn hielt nichts mehr im Untertanenmief Deutschlands. Er kehrte unverzüglich nach Baltimore zurück. Zusammen mit seinem Bruder Rudolf organisierte er den Einkauf von Rohtabak für das wachsende Tabakimperium der Böningers. Folgerichtig erwarb er in Baltimore das erste Schiff, dem weitere fünf folgen sollten. Um die Frachtkosten des einzuführenden amerikanischen Rohtabaks zu reduzieren, wurde der Schiffsraum durch die Beförderung deutscher Auswanderer nach Amerika auf der Rückreise genutzt, so der Historiker Ludger Heid.

Die Nachrichten über die gescheiterte Revolution in Deutschland erreichten ihn nicht mehr. Gustav Böninger starb im Alter von nur 38 Jahren in Baltimore.

Quelle: Ludger Heid, Kleine Geschichte der Stadt Duisburg

(RP)
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