Duisburg Nur wenig Mitleid im Arbeitsamt

Duisburg · Ein dunkles Kapitel der Nazizeit wurde bislang kaum beleuchtet: Auch die Duisburger Arbeitsverwaltung war in der Nazizeit an der Ausgrenzung, Entrechtung, Zwangsarbeit und Deportation der Juden beteiligt.

 Schutt wegräumen: Arbeitseinsatz für Juden in gestreifter Sträflingskleidung in der Duisburger Altstadt auf der Beekstraße.

Schutt wegräumen: Arbeitseinsatz für Juden in gestreifter Sträflingskleidung in der Duisburger Altstadt auf der Beekstraße.

Foto: STadtarchiv Duisburg

Die Duisburger Arbeitsverwaltung verstand sich bis 1933 als soziale und bürgerfreundliche Einrichtung. Dies alles änderte sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Noch im ersten Jahr der NS-Herrschaft entließ man - nach dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" - ca. 15 bis 20 Prozent des Personals. Grund: Gegnerschaft bzw. Distanz zum neuen Regime. Darunter befanden sich vor allem Mitglieder der Gewerkschaften und der Arbeiterparteien. Für sie rückten "bewährte" Nationalsozialisten vorrangig in die Schlüsselpositionen vor und sorgten für den neuen nationalsozialistischen Geist in der Arbeitsverwaltung - so auch in Duisburg.

Die Arbeitsvermittlung wurde schrittweise umgewandelt in ein Instrument der Arbeitseinsatzpolitik, mit dem die Arbeitskräfte planmäßig, nach "staatspolitischen Notwendigkeiten" und unter Berücksichtigung der "übergeordneten Interessen des Gemeinwohls", d.h. der Rüstungspolitik, gelenkt wurden. Das Arbeitsamt wurde in eine kriegswichtige Arbeitseinsatzbehörde umfunktioniert und arbeitete eng mit den Duisburger Rüstungsbetrieben zusammen. "Du kriegst keine Unterstützung, du bist Jude!" - Dieser Satz signalisiert die schrittweise Diskriminierung und Entrechtung der Juden, wobei es aber von der persönlichen Einstellung der Mitarbeiter abhing, wie sie die NS-Politik in die Tat umsetzten.

Einige Mitarbeiter teilten die Auffassung, dass in erster Linie die Volksgenossen arischer Abstimmung zu vermitteln seien, zumal - so die Propaganda - die Arbeitslosigkeit von den Juden verursacht sei. Angst vor einem Karriereknick, Gleichgültigkeit, aber auch Mitleid spiegeln die Gefühlswelt der Mitarbeiter wider. Die Politik der "Ausschaltung aus dem Wirtschaftsleben und aus der Erwerbstätigkeit" wurde immer mehr auch Praxis des Arbeitsamtes Duisburg, indem es eine Vermittlung verweigerte und gesetzlich zustehende Arbeitslosenunterstützung versagte. Im Dezember 1938 wies der Präsident der Reichsanstalt Dr. Syrup die Arbeitsämter jedoch an, wegen des Arbeitskräftemangels die arbeitslosen und arbeitsfähigen Juden beschleunigt wieder in Arbeit zu bringen, und zwar "abgesondert von der Gefolgschaft". Die Einhaltung dieser Bedingung hatte das Arbeitsamt sicherzustellen. Die Arbeitsämter hatten monatlich über den "Judeneinsatz" zu berichten. 1939 lebten nur noch 830 Juden in Duisburg. 1933 waren es noch 2500 gewesen. Im Zweiten Weltkrieg weitete man die Erfassung und den Einsatz der verbliebenen Juden, die noch arbeitsfähig waren, in enger Zusammenarbeit mit anderen Behörden aus. Die Arbeitsbedingungen waren verheerend. Juden standen auf unterster Stufe der Zwangsarbeiter-Hierachie. Sie erhielten allenfalls die unterste Tarifstufe; nicht selten erhielten sie gar keinen Lohn. Die Wochenarbeitszeit betrug 56 Stunden. Man vermittelte sie bei Bedarf auch überregional und brachte sie dann in Barackenlagern unter. Den Juden wurde gezielt die schwerste und schmutzigste Arbeit zugewiesen. Noch im März 1943 überwies das Arbeitsamt dem Tiefbauamt der Stadt Duisburg auf Antrag zwölf "beschäftigungslose Juden zur Arbeitsleistung". Sie wurden mit der Entfernung von Schutt und Trümmerbeseitigung betraut. Eine gefährliche Arbeit, noch unentdeckte Bomben und Granatenblindgänger konnten explodieren. Weiterhin ist der Arbeitseinsatz von Juden beim Fuhrpark und in einer Sermer Ziegelei dokumentiert.

Als die "Endlösung" in der Form des Völkermordes beschlossen wurde, begannen am 27. Oktober 1941 die Deportationen; darunter 50 Duisburger. Am 11. Dezember folgte mit 170 Duisburger Juden der größte Transport nach Riga. Das Arbeitsamt musste jetzt die "entbehrlichen" jüdischen Arbeitskräfte melden. Lediglich für die in der Rüstungsindustrie Beschäftigten kam es zu Ausnahmevereinbarungen mit SS- und Gestapo- Dienststellen. Häufig wollten wegen des enormen Mangels an Arbeitskräften die Betriebe und das Arbeitsamt verhindern, dass ihnen die wenigen jüdische Mitarbeiter ersatzlos verloren gingen. Betriebswirtschaftliches Kalkül und humane Gesinnung einzelner Betriebsleiter und Arbeitsamtsmitarbeiter spiegeln die Vielfalt menschlicher Verhaltensweisen wider. Arbeitsamtsmitarbeiter mussten nun mit entscheiden, welche Arbeitsplätze rüstungswichtig waren und welche jüdischen Beschäftigten von der Deportation in ein Vernichtungslager ausgenommen werden konnten. Häufig war es nur ein Aufschub bis zur Deportation. 1944 war die jüdische Gemeinde Duisburg praktisch ausgelöscht.

Das Einzigartige am NS-Völkermord waren die Einbeziehung und das enge Zusammenspiel aller öffentlichen Institutionen.

(RP)
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