Serie: Duisburger Geschichte Und Geschichten Ostjuden hatten es hier schwer

Duisburg · Schon vor rund 100 Jahren gab es in Duisburg Flüchtlinge. Das jüdische Arbeitsamt half den Bedrängten.

 Das Jüdische Arbeitsamt Ende 1918: Links im Bild ist der Leiter des Amtes, Dr. Werner Fraustädter, zu sehen.

Das Jüdische Arbeitsamt Ende 1918: Links im Bild ist der Leiter des Amtes, Dr. Werner Fraustädter, zu sehen.

Foto: archiv ludger heid

Flüchtlinge und Masseneinwanderung sind kein neues Thema: Nach Ende des Ersten Weltkriegs kamen weitere Juden nach Deutschland, die vor Verfolgung aus Osteuropa geflohen waren. Duisburg war für viele Ostjuden das Ziel. Sie wurden nicht mit offenen Armen empfangen. Das jüdische Arbeitsamt unterstützte dagegen die Flüchtlinge.

Duisburg nach dem Ersten Weltkrieg: Die Rückkehr der Kriegsteilnehmer auf dem Arbeitsmarkt ließen die Arbeitslosenzahlen deutlich steigen. Von den Verwaltungen erforderte die Phase nach dem Ersten Weltkrieg ständiges "Krisenmanagement". Die Lebensmittelversorgung bereitete Schwierigkeiten. Unruhen, Streiks und Aufstände bestimmten den Alltag vieler Duisburger.

Hinzu kam, dass Kriege und Bürgerkriege in Europa 1914-1922 zu Massenfluchtbewegungen und Massenvertreibungen führten. Visumpflicht und Grenzkontrollen konnten "nicht mit durchschlagendem Erfolge" an der preußischen Ostgrenze durchgesetzt werden, gab der preußische Innenminister 1919 zu. Wie auch andere europäische Staaten sah sich Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg mit der massenhaften Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen überfordert. Das Flüchtlingselend war offensichtlich.

So entstand auf Initiative des jüdischen Rechtsanwalts Harry Epstein hin im Oktober 1919 das Duisburger "Jüdische Arbeitsamt". Das Büro des Jüdischen Arbeitsamtes befand sich in zwei Lagerräumen in der Duisburger Altstadt an der Quergasse 4. Dort fanden die Flüchtlinge Hilfe bei der Beschaffung von Identitätsbescheinigungen und der Suche nach Arbeit. Kleine Beträge für den notdürftigsten Lebensunterhalt linderten die Not. Harry Epstein, bekennender Zionist, wandte sich von Anfang an gegen das Etikett "Fürsorgeamt" und meinte: "Man wolle nicht Wohltätigkeit üben, sondern sei bemüht, Arbeit zu vermitteln, und zwar im Bergbau, in der Schwerindustrie und in geringem Maße in Privatbetrieben." Ostjüdische Arbeiter werden häufig in Subunternehmen beschäftigt, die Verträge mit Kommunen, Firmen oder Zechen abgeschlossen haben, berichtete der Leiter des Arbeitsamtes, Dr. Werner Fraustädter. Das Jüdische Arbeitsamt arbeitete bei der Vermittlung und Arbeitsbeschaffung eng mit der kommunalen Arbeitsnachweisstelle am Burgplatz zusammen.

Die Duisburger Bevölkerung und die Polizei reagierten überwiegend ablehnend auf die Flüchtlinge. So kritisierte die Polizei die neue Anlaufstelle der "jüdischen Fürsorgeorganisation", da dort vielen Flüchtlinge ohne Heimatpapiere neue Identitätsbescheinigungen ausgestellt wurden. Das entsprach zwar der geltenden staatlichen Weisungslage, aber die Polizeibehörde befürwortete die Abschiebung der Ostjuden ohne Heimatpapiere, um der Masseneinwanderung Herr zu werden. Es entstand ein Klima der Angst, Überforderung und Fremdenfeindlichkeit.

Die im Ersten Weltkrieg und in der unmittelbaren Nachkriegszeit deutlich angestiegene Zahl der ausländischen Juden in Duisburg sank im Laufe der 20er Jahre wieder ab. Hintergründe waren die antisemitischen Ausschreitungen, die zunehmend restriktivere Asylpolitik und die angespannte wirtschaftliche Lage der frühen Weimarer Republik.

Das Duisburger Jüdische Arbeitsamt bestand acht Jahre - 1927 wurde es geschlossen. Viele der ostjüdischen Arbeiter waren längst in die belgischen und französischen Industriegebiete, in die Vereinigten Staaten oder nach Palästina weitergewandert.

Wie auch immer die aktuelle Flüchtlingskrise weitergeht - eins ist sicher: Geschichte wiederholt sich nicht und niemand weiß, wohin sie führen wird.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort