Montags in Duisburg Ein normaler Abend mit "Pegida"

Duisburg · Steine und Flaschen fliegen, wilde Sprechchöre scheppern durch Lautsprecher. Der Wind weht rau, wenn in der Duisburger Innenstadt bei den "Pegida"-Demos Rechte und Linke aufeinandertreffen.

Pegida-Anhänger demonstrieren vor Duisburger Hauptbahnhof
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Pegida-Anhänger demonstrieren vor Duisburger Hauptbahnhof

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Foto: Christoph Reichwein

Es ist früher Abend am Duisburger Hauptbahnhof. Das Hauptgebäude ist um diese Zeit voller Pendler, die es eilig haben, nach Hause zu kommen, um noch etwas vom Abend zu haben. Immer montags wird das zur Herausforderung. "Jede Woche der gleiche Scheiß", flucht ein Mann im Vorbeigehen.

Seit mehreren Monaten schon demonstriert die islamfeindliche Protestbewegung "Pegida" an Montagen vor dem Hauptbahnhof. Verschiedene linke Gruppierungen haben etwas dagegen. Diesen Montag kommt es vor dem Gebäude zu tumultartigen Szenen, weil Linke versuchen in Richtung der Gegner durchzubrechen.

Die Lage auf dem Platz vor dem Bahnhof ist an diesem Abend schon angespannt, bevor es richtig losgeht. Wie die Polizei bald bekannt gibt, sind unter den 150 Anhängern von Pegida rund 70 Personen aus der Hooliganszene, die als extrem gewaltbereit gelten. Ein Passant, der mit Einsatzkräften der Polizei spricht, sagt Sätze wie: "Denen ist alles egal. Die kennen nichts." Eine Frau, die das hört, schaut verängstigt und geht weiter.

Vor dem Bahnhofsgebäude, das mit seinen vielen Lichterketten schon weihnachtlich geschmückt ist, stehen die Einsatzkräfte der Polizei Spalier. Polizeiwagenwagen parken in Reihen vor dem Gebäude, aus einigen schallt dumpfes Bellen von Schäferhunden über den Platz. Im Bahnhof stehen währenddessen Vertreter einer christlich-religiösen Vereinigung. Ihre Plakate mit der Aufschrift "Harmonie, gewusst wie" wirken angesichts der angespannten Situation wie ein schlechter Witz. "Wir haben 700 Polizisten im Einsatz. Sollten die Gruppen versuchen, aufeinander loszugehen, werden wir das zu verhindern wissen", sagt ein Polizeisprecher bevor der Aufmarsch beginnt. "Wir rechnen damit, dass heute mehr Leute kommen als zuletzt." Noch am Montag zuvor habe es geregnet. Da seinen viele den Demos ferngeblieben.

Um acht Uhr will Pegida durch die Stadt ziehen, noch aber ist der Platz vor dem Bahnhof leer. Nur vereinzelt treten Menschen vor die Polizeiabsperrung, um durchgelassen zu werden. "Wohin wollen Sie?", fragt einer der Polizisten. "Zur Demo", antwortet er. "Also zu Pegida." "Ja." In seiner Hand hält der Mann, der es mit denen hält, die sich vor der Überfremdung des Abendlandes durch den Islam fürchten, einen Döner. Ein anderer Mann, der gekommen ist, um die Proteste zu beobachten, sieht aus, als wüsste nicht, ob er lachen oder weinen soll. Er entscheidet sich für ein verhaltenes Schmunzeln. Aus einem Lautsprecher der Pegida-Gegner ist das Lied "Schrei nach Liebe" von den Ärzten zu hören. Zwei Punks mit zerrissenen Klamotten, bunten Haaren und jeweils einer Bierfalsche in der Hand grölen textsicher mit.

Auch die Gegenseite wird lauter. "Nieeeeemand hier ist ein Radikalist", scheppert es über den Bahnhofsvorplatz. Hinter dem Redner von "Pegida" weht ein Meer deutscher Flaggen im Wind. Einige sind mit Städtenamen in deutscher Frakturschrift versehen. Einige Passanten, die vorbeikommen, bleiben stehen, um sich das Schauspiel anzusehen, die meisten aber gehen weiter ohne großartig Notiz vom Lärm, den Reden und der Präsenz der Einsatzkräfte zu nehmen. Es wundert sich niemand über die beiden Jugendlichen, die nicht älter als zwölf Jahre sind, und einem Mann mit Bomberjacke hinterherschreien: "Nazis sind widerlich, Bastard."

Eine junge Frau, die das Treiben von einem der Blumenkübel auf dem kargen Bahnhofsvorplatz aus verfolgt, fragt einen Mann: "Wissen Sie, was das hier soll? Warum sind die beiden Gruppen so aggressiv zueinander?" Die gleiche Frage hatte zuvor schon ein etwa vierzehnjähriger Junge gestellt. Er trug eine rückwärts aufgesetzte Baseballkappe und wirkte orientierungslos.

Wenige Meter vor den Kübeln liefern sich die beiden Gruppen Wortgefechte. "Das ist der Mann, der diese Demo organisiert hat", schallt es aus den Lautsprechern der Linken, die ihre Gegner so demaskieren wollen. "Geht nach Hause, euch braucht hier niemand." Andere Mitglieder der Gruppe, die nicht am Mikro stehen, wählen schärfere Worte.

Plötzlich wird die Stimmung aufgeregt. Die 300 Mann starke Gruppe, die vom Burgplatz aus losgezogen war, erreicht die Bahnhofsplatte. Die Polizei nimmt die Gruppe sofort in Empfang. Es sind überwiegend junge Menschen, allesamt in Schwarz gekleidet. Die Menschen in der ersten Reihe halten Plakate hoch. "Refugees welcome", steht zum Beispiel darauf. Die Gruppe macht vor dem Bahnhof Halt. Ein Wagen mit einer Lautsprecheranlage steht davor, am Mikrofon ein Sprecher. "Wir werden den Zug gleich auflösen", sagt er. "Bitte geht in Gruppen nach Hause. Das ist sicherer. In der Stadt sind Neonazis unterwegs."

Kurz darauf löst sich der Zug auf. Einige der Teilnehmer gehen nach Hause, andere wiederum schließen sich der zweiten linken Gegendemo an. Plötzlich setzt sich die Menge in Bewegung. 200 Demonstranten bewegen sich in Richtung Königstraße, um zu den Gegendemonstranten zu gelangen. Der Versuch misslingt.

"Pegida" versammelt sich indes zu seiner Abschlusskundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz. Erneut versuchen Linke, die Absperrlinie zwischen den beiden Lagern zu durchbrechen. Die Polizei nimmt einen 16-Jährigen fest, der vermummt mit einer Fahnenstange auf einen Beamten eingeschlagen hatte. Nachdem sie die Personalien aufgenommen hatten, brachten sie den Jungen zu seinen Eltern. Einen 17-Jährigen nahm die Polizei fest. Nach Angaben der Polizei soll er am Abend Steine auf Polizisten geworfen haben. Als sich die Pegida-Anhäger zurückziehen, versuchen die Gegendemonstranten noch einmal, die Absperrung zu durchbrechen, aber die Reiterstaffel stellt sich erneut dazwischen. Noch immer bellen die Hunde in den Zwingern. Die Pferde sind unruhig. Das liegt auch daran, dass einige Demonstranten sie mit lauten Geräuschen scheu machen.

"Eigentlich nicht krasser als sonst", sagt ein Schaulustiger. "Bis darauf, dass die Bullen aggressiver waren." Die beiden Freundinnen, die eben noch auf dem Blumenkübel standen, stehen jetzt am Bahnhofseingang, der noch immer von der Polizei abgeriegelt wird. "Ich habe den Eindruck, als würden manche nur wegen des Adrenalinkicks herkommen. Als die Menge eben auf mich zu gerannt ist, habe ich auch ganz schön gezittert", sagt sie. Ihre Freundin lächelt zustimmend. Die Frauen machen sich auf nach Hause. Die Veranstaltung ist vorbei. Am Montag geht das Spiel von vorne los.

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