Duisburg Perfekt nach der achten Fassung

Duisburg · Bodo Kirchhoff stellte in der gut besuchten Zentralbibliothek seinen neuen Roman "Verlangen und Melancholie" vor.

 Bodo Kirchhoff ist ein packender Vorleser, der auch wunderbar aus dem Nähkästchen plaudern kann.

Bodo Kirchhoff ist ein packender Vorleser, der auch wunderbar aus dem Nähkästchen plaudern kann.

Foto: Laura Gerlach

Nur selten kann man einen Schriftsteller erleben, der so packend vorlesen und auch noch wunderbar aus dem Nähkästchen seiner schriftstellerischen Arbeit erzählen kann wie Bodo Kirchhoff. Am Mittwochabend war der renommierte Autor Gast in der gut besuchten Zentralbibliothek. Dort stellte er auf Einladung des Literaturbüros Ruhr in Kooperation mit dem Verein für Literatur und Kunst Duisburg seinen jüngsten Roman "Verlangen und Melancholie" vor. Und zwar in der bemerkenswerten Literaturreihe "Von Sinnen - Eros & Illusion".

Kirchhoff (Jahrgang 1948) ist ein Meister der hintergründigen Spannung. Das wird schon nach wenigen Zeilen klar: Die Hauptfigur des Romans, Hinrich (nicht Heinrich, wie betont wird), erhält einen Brief mit einem schwarzen Rand; so schwarz wie der Panther, den er gerade in einem TV-Tierfilm gesehen hat. "Wer mag da gestorben sein?" fragt sich Hinrich und mit ihm der Leser. Doch Kirchhoff löst die Spannung nicht gleich auf. Sein "Held" wagt nämlich nicht, den Brief zu öffnen. Statt dessen denkt er, wie so oft, an seine Frau Irene, die vor neun Jahren vom Goethe-Turm in den Tod gesprungen ist. - So beginnt Kirchhoff seine romanhafte Wahrheitssuche, die an verschiedene Orte und zu verschiedenen Personen führt. Der Roman spielt erinnernd in der Vergangenheit und erwartungsvoll in der Gegenwart.

Der Literaturkritiker Hubert Winkels moderierte die Lesung. Vielleicht hätte er seine Fragen kürzer und geradliniger stellen sollen, damit Kirchhoff mehr Zeit zum Antworten und Lesen geblieben wäre. Aber interessant war es schon, vom Autor zu erfahren, dass er anfangs gar nicht gewusst habe, wohin ihn sein Roman und seine erfundenen Figuren treiben würden. Besonders überraschend war das Geständnis, dass er selber lange Zeit nicht gewusst habe, was in dem Brief mit dem schwarzen Rand geschrieben steht. "Das wurde mir erst in der sechsten Fassung des Romans klar. Nichts anderes als das, was nun geschrieben steht, kann der Brief enthalten", berichtete Kirchhoff. Im Übrigen sei der Roman erst nach der achten Fassung in seinen Augen perfekt gewesen. Recht hat Hubert Winkels mit der Bemerkung, dass "Verlangen und Melancholie" einer ausgeklügelten Architektur oder Komposition gleicht. Vom Suchen des Autors spüre der Leser nichts. "So soll es auch sein", meinte Kirchhoff dazu. Und das Publikum freute sich, dass er "als Zugabe" ein Kapitel las, bei der es um 150 000 Euro Schwarzgeld und eine schweizerische Banktransaktion geht. "Vielleicht hat der ein oder andere ein ähnliches Problem wie Hinrich und kann aus dem Kapitel Lehren ziehen", sagte schmunzelnd Kirchhoff, der über viel Lebensweisheit und einen verschmitzten Witz verfügt. Sein Roman gehört auf die Bestenliste!

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort