Total Lokal Pfiffiger Umgang mit einem Defizit

Duisburg · Im Leben gibt es Momente, die neudeutsch mit dem Ausdruck "Outing" oder "Coming Out" beschrieben werden. Dieser Vorgang beschränkt sich nicht auf Situationen, in denen jemand seine sexuelle Orientierung öffentlich macht. Nein, es gibt andere Tabus, über die man selten spricht. Bis eben die Lage ernst wird: So erging es dem Autor dieser Zeilen, als er jüngst an der Probe eines gemischten Chores teilnahm. Zwei Lieder wurden geübt. Aber dann teilte der Chorleiter die Noten zu einem kleinen Kanon aus: "Zwei kleine Wölfe". Mittendrin ein einziger Takt, der pfeifend zu artikulieren ist. Da stockte mir der Atem. Denn ich kann nicht - nein, nicht was Sie jetzt vielleicht denken. Ich kann nämlich nicht pfeifen, trotz vieler Lernversuche. Bisher fuhr ich mit diesem Defizit ganz gut, ohne es eingestehen zu müssen.

Aber nun, in der Probe, kontrollierte der Chorleiter sorgsam die Intonation einzelner Chormitglieder. Als er lauschend sein Haupt in meine Nähe hielt, wusste ich, dass es Zeit wurde für ein Geständnis. Doch bevor ich zu der Erklärung ansetzen konnte, zog sich der Chorleiter wieder zurück ans Klavier. Er hatte verstanden, legte aber keinen Wert darauf, den Pfeif-Versager vor den Pfeifkundigen bloßzustellen. Nun weiß ich, wie ich es beim Konzert im Juni halte: Ich singe echt, pfeife aber stumm. Pfiffige Idee.

Dirk Richerdt

(RP)
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