Nach Loveparade-Katastrophe Polizei Duisburg gibt Ermittlungen ab

Nach der Tragödie bei der Loveparade erwarten die Ermittlungsbehörden keine rasche Aufklärung der Ursache. "Das wird Wochen, wenn nicht Monate dauern", heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Die Duisburger Polizei gibt ihre Ermittlungen im Zusammenhang mit der Loveparade-Katastrophe ab. Sie will damit offenbar vermeiden, mit dem Vorwurf der Befangenheit konfrontiert zu werden.

Spuren des Grauens: Der Unglücksort am Tag danach
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Die Begründung ist plausibel. So sollen die Duisburger Polizisten gegen Verwaltungsbeamte der eigenen Stadt ermitteln. Daher übernimmt seit Montag die Polizei in Köln die Ermittlungen. Das bestätigte das Präsidium in Duisburg am späten Montagnachmittag.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur ddp soll das Kölner Polizeipräsidium die strafrechtlichen Aspekte des Unglücks ermitteln, das polizeiliche Einsatzkonzept am Veranstaltungstag soll vom Polizeipräsidium Essen ausgewertet und überprüft werden.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bleiben derweil in Duisburg. Die Untersuchung der Vorfälle auf der Loveparade werden sich voraussichtlich lange hinziehen. Es müssten viele Zeugen befragt werden, die auch erst ausfindig gemacht werden müssten. "Wir werten auch Fotos und Videos aus", sagte Haferkamp gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Zudem würden zahlreiche Unterlagen überprüft. Die Staatsanwaltschaft hatte am Sonntag das Sicherheitskonzept der Veranstalter und der Stadt beschlagnahmt. "Spiegel Online" berichtete unter Berufung auf ein internes Dokument der Duisburger Stadtverwaltung, dass ein Sachbearbeiter des Bauamts die Organisatoren der Loveparade davon befreit habe, die vorgeschriebenen Breiten der Fluchtwege einzuhalten.

Außerdem hätten die Beamten auf Feuerwehrpläne verzichtet. Dem Bericht zufolge begrenzte die Stadtverwaltung die Zahl der Menschen, die sich gleichzeitig auf dem Veranstaltungsgelände aufhalten darf, auf maximal 250.000. Die Veranstalter hatten am Samstag von 1,4 Millionen Menschen gesprochen, die über den Tag verteilt an der Loveparade teilgenommen haben sollen.

Haferkamp sagte weiter, es seien zahlreiche Papiere, die sich mit der Planung der Loveparade befassen, beschlagnahmt worden. Zum Inhalt einzelner Papiere könne er derzeit keine Aussagen machen, die Auswertung der Dokumente dauere an. Erst danach lasse sich sagen, ob sich Beweise zu Lasten einzelner Verantwortlicher bei der Genehmigung, Organisation und Ausführung der Veranstaltung verdichteten.

Strafrechtler: Verantwortlichen in Duisburg drohen Bewährungsstrafen

Nach Einschätzung des Tübinger Strafrechtlers Jörg Kinzig drohen den Verantwortlichen im Fall der tödlichen Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg allenfalls Bewährungsstrafen. "Ich rechne nicht damit, dass jemand deswegen in Haft kommt", sagte Kinzig am Montag der Nachrichtenagentur ddp.

Bei den Ermittlungen komme hier wohl letztlich nur der Straftatbestand der fahrlässigen Tötung in Betracht, bei dem maximal eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren oder eine Geldstrafe drohe. Voraussetzung dafür sei unter anderem "eine Sorgfaltspflichtverletzung, die ursächlich für den Tod von Menschen geworden ist". Kinzig verwies darauf, dass auch bei tödlichen Autounfällen Unfallverursacher wegen fahrlässiger Tötung in der Regel höchstens zu Bewährungsstrafen verurteilt würden.

Eine zentrale Frage im Fall von Duisburg sei nach den bisher vorliegenden Informationen, ob man sich nicht "die Situation im Tunnel, wo Menschenmassen aufeinander prallten, vorher genau hätte anschauen müssen". Zu fragen sei auch, inwieweit Personen gegen Ordnungsmaßnahmen verstoßen und etwa durch Wegschieben von Barrieren oder massives Drängen von hinten zu dem Unglück beigetragen hätten. "Das macht die Sache natürlich komplex", sagte Kinzig, der Inhaber eines Lehrstuhls für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Tübingen ist.

Kinzig wies die Aussage des Konzertveranstalters Marek Lieberberg zurück, der im Zusammenhang mit der Tragödie in Duisburg von einem "Verbrechen" gesprochen hatte. "Das ist strafrechtlich Unsinn", sagte Kinzig. Ein vorsätzliches Tötungsdelikt komme hier nicht in Frage. Voraussetzung dafür wäre, dass ein Verantwortungsträger den Tod des Opfers "als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt" und "in Kauf genommen" hat.

Zahl der Verletzten steigt auf über 500

Bei einer Massenpanik waren am Samstag auf der Techno-Party in der Ruhrgebietsstadt 19 Menschen getötet und über 500 verletzt worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach Angaben Haferkamps gegen Unbekannt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung. Es gehe darum herauszufinden, ob Entscheidungen getroffen worden seien, die zu Todesopfern geführt hätten. Nach Behördenangaben liegen zwei Strafanzeigen vor.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Duisburg sind deutlich mehr Menschen verletzt worden als zunächst angenommen. Die Staatsanwaltschaft bezifferte ihre Zahl am Montag auf mehr als 500. "Die letze Zahl war 511", sagte Staatsanwalt Rolf Haferkamp gegenüber Reuters. 43 Menschen befänden sich noch im Krankenhaus, ein Opfer schwebe in Lebensgefahr. Am Sonntag hatten die Behörden die Zahl der Verletzten mit 342 angegeben.

Eine Sprecherin der Stadt Duisburg kündigte an, dass das Land Nordrhein-Westfalen eine Trauerfeier für die Opfer organisieren werde. Der Termin stehe aber noch nicht fest. Zum Gedenken an die Opfer von Duisburg ordnete Bundesinnenminister Thomas de Maiziere ab sofort Trauerbeflaggung für die obersten Bundesbehörden und den ihr untergeordneten Stellen in Nordrhein-Westfalen an.

(RTR/AFP/ddp)
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