"Problemhaus" in Duisburg Scouts begleiten Roma-Familien im Alltag

Duisburg · In Bergheim startet mit den "Roma-Scouts" ein neues Projekt: Ehrenamtler werden zu Alltagsbegleitern für die Roma-Familien und helfen ihnen etwa bei Behördengängen oder begleiten sie bei Arztbesuchen. Am Sonntag geht es los.

Jürgen Voß, Nicu Chelu, Dieter Herberth und Dietlinde Widmann (v.l.).

Jürgen Voß, Nicu Chelu, Dieter Herberth und Dietlinde Widmann (v.l.).

Foto: Christoph Reichwein (REI)

Nicu Chelu kann es kaum erwarten, dass das Projekt endlich startet. Zu viele Schwierigkeiten hatte der Vater von acht Kindern, der seit rund einem Jahr mit seiner Familie in einer 70-Quadratmeter-Wohnung im Hochhaus In den Peschen lebt, mit Behörden und generell im Alltag. Einmal, erzählt der 31-Jährige, sei seine Familie in einem Krankenhaus abgewiesen worden.

 72 Wohnungen gibt es im Hochhaus In den Peschen in Bergheim, 60 Familien leben derzeit dort, sagt Bewohner Nicu Chelu.

72 Wohnungen gibt es im Hochhaus In den Peschen in Bergheim, 60 Familien leben derzeit dort, sagt Bewohner Nicu Chelu.

Foto: Bauer (Archiv) / reichwein

Da half auch die Europäische Krankenversicherungskarte nichts, die er an der Anmeldung vorzeigte. Erst die Lehrerin eines seiner Kinder konnte helfen. Sie kam mit zum Krankenhaus und sorgte dafür, dass das Familienmitglied behandelt wird.

Dass sich Geschichten wie diese, die laut Dieter Herberth, Pfarrer der evangelischen Christuskirchengemeinde in Rheinhausen, kein Einzelfall sind, nicht wiederholen, dafür soll das Projekt "Roma-Scouts" sorgen.

Die Idee dahinter: Ehrenamtliche werden zu Wegbegleitern der in Bergheim ansässigen Roma. Sie helfen ihnen etwa bei der Kommunikation mit Stadtverwaltung, Jobcenter, Agentur für Arbeit, Banken, Versicherungen, Schulen und Kindertageseinrichtungen, begleiten sie bei Behördengängen, Arztbesuchen oder Einkäufen, unterstützen sie bei der Wohnungs- und Arbeitssuche und ermöglichen ihnen einen Zugang zum gesellschaftlichen Leben im Ortsteil, etwa durch Sprachkurse, die Teilnahme an Kulturveranstaltungen oder die Mitgliedschaft in einem Sportverein.

Die Idee für das Projekt hatte der "Runde Tisch Offenes Rheinhausen", an dem Kirchen, Parteien, Vereine, Gewerkschaften, Nachbarn und viele weitere Institutionen beteiligt sind. "Wir haben uns gefragt: Wie kann man diesen Menschen, von denen die allermeisten sich integrieren wollen und dabei große Probleme haben, helfen?", erzählt Herberth. Mit zehn Scouts soll das Projekt starten, ein Scout soll sich einer Familie annehmen. Am kommenden Sonntag werden sich Scouts und Familien zum ersten Mal treffen. Dann werden die Scouts sehen, wo Not am Mann ist und welche Dinge zuerst angegangen werden sollten. Unterstützt in ihrer Arbeit werden die Scouts durch die Dienststelle Rheinhausen des Diakonischen Werks Kirchenkreis Moers. Mitarbeiterin Dietlinde Widmann, die selbst fließend Rumänisch spricht, wird die Scouts beraten und regelmäßige Fortbildungen und Treffen zum Austausch organisieren. "Ich werde die Scouts unterstützen", sagt Widmann. Sie seien ja auch nur Ehrenamtler und in vielen Dingen unerfahren.

Rumänisch sprechen die Scouts nicht — außer Herberth, der selbst Rumänen-Deutscher ist und als Scout tätig sein wird. "Aber das geht auch so", ist sich der Pfarrer sicher. Man verständige sich mit Händen und Füßen oder in anderen Sprachen. Auch Übersetzungsprogramme im Internet könnten hier sehr hilfreich sein.

"Ein wichtiges Ziel ist es, neue Wohnungen für die Roma-Familien zu finden, damit sich nicht alles auf die Immobilien In den Peschen und Beguinenstraße konzentriert", sagt Jürgen Voß, Leiter der Rheinhauser Dienststelle des Diakonischen Werkes Kirchenkreis Moers. Denn er weiß, dass sich diese Adressen einfach schlecht machen. Wer sie bei einem Vorstellungsgespräch angibt, hat schon verloren. Und da ist man schon bei einem zweitem wichtigen Ziel des Projekts: die Erwachsenen bei der Arbeitssuche zu unterstützen. Drittes Ziel sei die Bildung der Kinder, aber hier sei man schon auf einem guten Weg. Mittlerweile gebe es an fast alle Schulen Seiteneinsteigerklassen, und die Kinder machten sich prima. "Sie lernen sehr schnell Deutsch", sagt Herberth, der selbst in einigen Klassen unterrichtet. Manche Kinder könnten mittlerweile schon am ganz normalen Unterricht teilnehmen.

(RP)
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