Duisburg Skulptur als Schriftzeichnung und Sound

Duisburg · "Missing Sculpture", fehlende Skulptur, heißt die Arbeit von Danica Dakic im Lehmbruck-Museum.

 Mit Knochenleim und Pigmenten wurden die Zitate aus Beuys-Rede vom Januar 1986 auf den Museumsboden geschrieben.

Mit Knochenleim und Pigmenten wurden die Zitate aus Beuys-Rede vom Januar 1986 auf den Museumsboden geschrieben.

Foto: egbert trogemann

"Da fehlt doch was!" Kulturdezernent Thomas Krützberg eröffnete gestern im Lehmbruck-Museum mit diesem Ausruf die Pressekonferenz zur Ausstellung "Missing Sculpture" von Danica Dakic. Wobei man sich fragen kann, ob dieser Beitrag zur seit drei Jahren laufenden Reihe "Sculpture 21st". bei der es um besonders beachtenswerte Positionen der Gegenwartsbildhauerei geht, wirklich als "Ausstellung" zu bezeichnen ist.

Danica Dakic präsentiert nämlich in ihrer eigens für das Lehmbruck-Museum gestalteten Arbeit keineswegs ein dreidimensionales Werk, das man stellen oder hängen könnte. Ihre "fehlende Skulptur" (so der ins Deutsche übersetzte Titel) ist eine weit geschwungene Bodenzeichnung, die aus lauter Satzfetzen besteht. Diese Fragmente sind allesamt Zitate aus Joseph Beuys' Dankesrede zur Verleihung des Lehmbruck-Preises, gehalten am 12. Januar 1986, wenige Tage vor dem Tod des Künstlers am 23. Januar.

Zu dieser geschriebenen Bodenzeichnung gehört eine ziemlich lautstarke, 15-minütige Soundinstallation, bei der zum einen ein professioneller Sprecher Zitate aus Lehmbruck-Briefen vorträgt und bei der zum anderen höchst unterschiedliche Besucher des Lehmbruck-Museums in kurzen Gesprächsmitschnitten zu Wort kommen, um über Kunst und das Leben zu sprechen.

Danica Dakic hat sich eingehend mit der Geschichte des Lehmbruck-Museums, mit dem Namengeber Wilhelm Lehmbruck und mit Joseph Beuys beschäftigt, der in seiner vermächtnishaften Rede Lehmbruck als seinen "Lehrer" bezeichnet hatte. Beuys' Aussage, dass "alles Skulptur ist", habe sie zu ihrem Beitrag inspiriert, sagte die Künstlerin gestern im Pressegespräch. Danica Dakic: "Ich sehe die Arbeit in einer Generationenfolge. Es geht darum, wie sich das Konzept von Beuys' Sozialer Plastik im 21. Jahrhundert weiterdenken lässt."

Einfach hat es sich die international renommierte Künstlerin nicht gemacht. Die Beuys-Zitate hat sie nicht einfach auf den Boden der leergeräumten Glashalle des Museums geschrieben, vielmehr hat sie Buchstabe für Buchstabe mit Knochenleim und Pigmenten mühsam aufgebracht, wobei das Schriftbild von oben wie ein florales Muster wirkt. Knochenleim war übrigens ein Werkstoff, den auch Beuys, der Naturmaterialien bevorzugte, mehrmals verwendet hat.

Die Museumsbesucher werden angehalten, ihren Weg in den Zwischenräumen der Schrift, gewissermaßen zwischen den Zeilen, zu suchen, um die aus Worten bestehende Bodenzeichnung nicht zu zerstören. "Zwischen Materiellem und Immateriellem, zwischen Stimme und Schrift, zwischen den Spuren am Boden und den Klangwelten im Raum": so umschreibt Kuratorin Ronja Friedrich die "Missing Sculpture" von Danica Dakic.

Als Problem bleibt, dass die Entstehung interessanter als die nun präsentierte Arbeit ist. Gerade deshalb sind die Ausstellungseröffnung am heutigen Donnerstag, 19 Uhr, und das Künstlergespräch am Donnerstag, 2. März, ebenfalls 19 Uhr, besonders zu empfehlen, da die Künstlerin, die in Düsseldorf lebt, dabei anwesend ist. (Ausstellung bis 19. März.)

(pk)
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