Duisburg Zusammenleben in der Notunterkunft

Duisburg · In der ehemaligen Schule an der Werthauser Straße in Rheinhausen leben zurzeit 190 Asylbewerber. 70 von ihnen sind in einer Turnhalle untergebracht, die anderen leben zumeist im Familienverbund in den Klassenräumen.

So leben Flüchtlinge in einer Turnhalle in Duisburg-Rheinhausen
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So leben Flüchtlinge in einer Turnhalle in Rheinhausen

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So bedrückend die Eindrücke nach der gestrigen Besichtigung der Notunterkunft für Asylbewerber an der Werthauser Straße auch sind, so muss doch mit Nachdruck darauf hingewiesen werden: Die an die Öffentlichkeit lancierten Meldungen über angebliche Selbstmordversuche wegen katastrophaler Lebensumstände, einschließlich fehlender Betten und menschenunwürdiger sanitärer Einrichtungen, darf man so nicht stehenlassen.

Andrea Ortmann, die in der Notunterkunft als Hauswartin arbeitet, spricht von einem Selbstmordversuch und einem "Nervenzusammenbruch eines Bewohners". Der unmittelbare Grund für den Suizidversuch sei eine drohende Abschiebung gewesen, der "Nervenzusammenbruch" hänge mit zurückliegenden traumatischen Erlebnissen des Betroffenen zusammen. Es gibt keinen Grund, etwas anderes zu vermuten.

Zum ersten Mal gestattete gestern die Stadt Duisburg einem kleinen Kreis von Journalisten, die Notunterkunft in Rheinhausen zu besichtigen. Dabei handelt es sich um eine ehemalige Schule mit Turnhalle. Diese Turnhalle war die erste, die in Duisburg als Notunterkunft für Asylbewerber genutzt wurde. Das geschah im Herbst des vergangenen Jahres, als die Stadt Duisburg wegen ihrer Zeltstadt für Asylbewerber landesweit in die Schlagzeilen geriet. Die Zelte wurden damals wieder abgebaut. Stattdessen wurden Asylbewerber in der Turnhalle untergebracht.

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Foto: afp, MM

Ob die Unterbringung in einer Turnhalle wirklich besser als die in einem Zelt ist, mag man bezweifeln. Die Sozialamtsleiterin Andrea Bestgen-Schneebeck lässt jedenfalls keinen Zweifel daran, dass eine Turnhalle als Wohnstätte für 70 (!) Menschen nur eine Notlösung mangels anderer Unterbringungsmöglichkeiten sein kann. Jedenfalls sei sie froh gewesen, als endlich die Klassenräume der Schule als Unterbringungsmöglichkeit für insgesamt 110 Menschen zu Verfügung standen. Diese Klassenräume können mit einigem Geschick ansatzweise wohnlich eingerichtet werden, bieten vor allem mehr Privatsphäre als die Turnhalle.

In der Turnhalle bekommen die ankommenden Asylbewerber eine kleine Fläche zugewiesen, auf der Etagenbetten stehen. An der Werthauser Straße hat es sich eingespielt, dass die Turnhallen-Bewohner mit Hilfe von Laken, die an Bettpfosten und Besenstilen gebunden werden, versuchen, private Bereiche zu schaffen.

Zum Kochen stehen den Bewohnern der Notunterkunft zehn Herde in einem ehemaligen Schulraum von morgens sieben bis abends 22 Uhr zur Verfügung. "Das klappt gut, die Bewohner können sich über die Küchennutzung stets selber einigen", berichtet Andrea Ortmann. Überhaupt sei die Stimmung in der Notunterkunft vergleichsweise harmonisch, sagt die Hauswartin. Zwar gebe es gelegentlich Streitigkeit, auch unter Eheleuten, aber die träten nicht häufiger auf als anderenorts.

Andrea Ortmann hat täglich zusammen mit einem Kollegen von 8 bis 16 Uhr Dienst. Ihre Aufgabe besteht darin, die Bewohner zu betreuen und ihnen bei Fragen mit Rat und Tat zu helfen. Nach 16 Uhr übernimmt ein Sicherheitsdienst die Aufsicht in der Notunterkunft, wobei deren Mitarbeiter durchaus den freundlichen Kontakt zu den Bewohnern anstrebten.

Darüber hinaus engagieren sich noch verschiedene Verbände, wie das DRK, die Diakonie und die AWO in der Notunterkunft. In einem alten Klassenraum wurde ein Spielzimmer eingerichtet, in dem auch Sprachkurse angeboten werden. Schön sei, so Andrea Ortmann und Andrea Bestgen-Schneebeck, dass auch der OSC den Asylbewerbern sportliche Betätigungsmöglichkeiten anbietet.

Trotz solcher Angebote ist offenkundig, dass das Leben in einer Notunterkunft, besonders in einer Turnhalle höchst problematisch ist. Aber so lange Wohnungen fehlten, gebe es nun einmal keine andere Möglichkeit. Bislang hat die Stadt 500 Wohnungen für Asylbewerber "beschlagnahmt", wobei das Wort irreführend ist, da die "Beschlagnahmung" stets mit dem Einverständnis der Hausbesitzer geschieht. Aktuell leben in Duisburg 2500 Asylbewerber. Andrea Bestgen-Schneebeck rechnet damit, dass die Stadt bis Ende des Jahres 4000 Asylbewerber unterbringen muss. "Der Druck ist groß", sagt sie.

(RP)
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