MSV Duisburg Die Trennung von Baumann wurde unvermeidlich

Duisburg · Trainer Karsten Baumann ist beim MSV Duisburg vor allem an den überzogenen Erwartungen der Fans gescheitert.

 Gehen bald getrennte Wege: Noch-MSV-Trainer Karsten Baumann (li.) und Sportdirektor Ivica Grlic.

Gehen bald getrennte Wege: Noch-MSV-Trainer Karsten Baumann (li.) und Sportdirektor Ivica Grlic.

Foto: Christoph Reichwein

Als Karsten Baumann die "Herausforderung" - so der Wortlaut in der Vereins-Erklärung zur Trennung vom Trainer am Saisonende — MSV Duisburg im Juli 2013 übernahm, war die Euphorie riesig. Mehr als 1000 Zuschauer kamen zum ersten Training unter Baumann, elf Tage vor dem Saisonstart in der Dritten Liga war das. Der Fußballlehrer sollte - so die damals ausgegebene Losung - die nach dem Zwangsabstieg frisch zusammengewürfelte Truppe in eine Einheit verwandeln und sich mit ihr in der neuen Spielklasse einrichten. Indessen träumten die Fans von mehr: Der direkte Wiederaufstieg sollte es doch bitte sein.

Acht Monate nach der ersten Trainingseinheit ist jegliche Euphorie verflogen. Es ist der 22. Februar, als auf der Tribüne des ehrwürdigen Stadions Rote Erde die ersten "Baumann raus"-Rufe erschallen. Von MSV-Fans, die sich nicht nur über die dortige 0:2-Niederlage bei Borussia Dortmund II ärgern, sondern vor allem darüber, dass ihr Klub ein tristes Dasein im Mittelfeld der Liga fristet und mit dem Aufstieg nichts mehr zu tun hat. Der Respekt, der einem Mann gebührt, der den MSV in seiner schwersten Krise sportlich führen will, ist vergangen. Und der Frust entlädt sich hernach immer wieder in "Baumann raus"-Rufen, besonders in den Heimspielen gegen Holstein Kiel (1:1) und die SV Elversberg.

In letzterer Partie bringt ein Wechsel die Stimmung auf den Rängen zum Kochen, den die Fans so überhaupt nicht nachvollziehen können: Stürmer Gerrit Wegkamp geht beim Stand von 1:0 vom Feld, für ihn kommt Patrick Zoundi, der irgendwo zwischen Sturm und Mittelfeld gehandelt wird. Für die Anhänger riecht das nach Ergebnissicherung, nach einer defensiveren Ausrichtung, sie pfeifen, beschimpfen Baumann. Der darf nur wenig später jubeln, denn Zoundi trifft doppelt zum 3:0-Endstand. Augenzeugen wollen nach dem ersten Treffer des Einwechselspielers eine abfällige Geste des Trainers gegenüber den zuvor pfeifenden Zuschauern ausgemacht haben, der Coach verneint das später.

"Haben Sie schon einmal so eine Einwechslung gesehen?"

Er kann sich auf der Pressekonferenz nach dem Spiel aber den Seitenhieb nicht verkneifen: "Haben Sie schon einmal so eine Einwechslung gesehen?". Schon da fügt Baumann wissentlich dem Tischtuch mit den Fans einen Schnitt zu, den er wenige Tage später vertieft: "Einer ist für die Auswechslungen zuständig. Wenn der Ahnung hat, dann ist es doch in Ordnung." Ein wahrer Satz, aber auch eine eindeutige Botschaft an die Fans: Von Taktik habt ihr keine Ahnung. Spätestens hier ist klar, dass hier keine Freundschaften mehr auf beiden Seiten entstehen.

Die Trennung vom Trainer ist da schon unausweichlich, auch wenn der Coach weiter mit seinem Team Erfolg hat: Er feiert mit dem 2:0 in Saarbrücken den dritten "Zu-null-Sieg" in Folge, bleibt auch beim 0:0 gegen Stuttgart II ungeschlagen und wird auf einem Internetportal zum "Trainer des Monats" gewählt. All das ist den Fans egal. Als es am Samstag bei den Stuttgarter Kickers mit dem 0:2 die erste Niederlage seit dem äußerst unglücklichen 0:1 in Darmstadt Anfang März gibt, sind die "Baumann raus"-Rufe wieder da. Und schlimmer: Der Trainer muss sich von MSV-Fans Beleidigungen gefallen lassen, die unterhalb der Gürtellinie, im Schutz des anonymen Internets sogar unterhalb der Schuhsohle sind.

Auch wenn Sportdirektor Ivica Grlic sich öffentlich gegen diese Anfeindungen stellt und auch in der Erklärung zur Trennung vom Trainer und dessen Assistenten Markus Reiter verlauten lässt: "Beide gehören zu unserem Team und ich erwarte, dass sie die gleiche positive Unterstützung wie alle anderen in der MSV-Familie erfahren", so ist ihm doch klar, dass sich damit keine Zukunft aufbauen lässt. Die Verträge nicht zu verlängern, ist da nur die logische Konsequenz, zumal der Chefcoach und der Sportdirektor zuletzt auch nicht mehr ein Herz und eine Seele gewesen sein sollen.

Rein sportlich kann sich der Trainer nichts vorwerfen lassen: Die formulierte Zielsetzung des Vereins, die Mannschaft in der Dritten Liga zu etablieren, hat er erfüllt. Die Erwartungen der Fans dagegen nicht - aber die waren ohnehin überzogen. Dass er den Anhängern ob ihrer Anfeindungen so deutlich Contra gab, ist menschlich, war aber nicht nötig. Baumann wollte sich nicht verbiegen - das nötigt Respekt ab, aber auf Dauer konnte er aus dem Zwist mit den Fans nicht als Sieger hervorgehen. So ist diese Trennung eher eine emotionale denn eine rationale.

Nach exakt 100 Tagen als MSV-Trainer hatte Baumann im Interview mit unserer Zeitung im Oktober noch einmal an das erste Training vor mehr als 1000 Zuschauern gedacht: "Hier war allein die Stimmung, wenn man durch die Leute zum Trainingsplatz ging, bewegend. So etwas habe ich noch nicht erlebt." Solche Anfeindungen wie zuletzt aber vermutlich auch nicht.

(RP)
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