MSV Duisburg Duisburg - eine Stadt bangt um ihren Verein

Duisburg · Am Mittwoch entscheidet das Ständige Schiedsgericht in Frankfurt über die Zukunft des MSV Duisburg. Der drohende Zwangsabstieg hat die Stadt zusammenrücken lassen. Der Schockstarre folgt Aufbruchstimmung.

MSV-Fans bilden Menschenkette in Duisburg
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MSV-Fans bilden Menschenkette in Duisburg

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Foto: Hans-Ulrich Kress

Die ständige Mahnwache der MSV-Anhänger vor dem Stadion verbreitet Campingplatz-Atmosphäre. Im Schatten der Arena sitzt eine Gruppe Fans zusammen und diskutiert. Es ist der Tag vor der finalen Entscheidung durch das Ständige Schiedsgericht in Frankfurt: Profifußball oder Amateurliga, Neuanfang oder Anfang vom Ende? "Sekt oder Selters?", sagt Marcel und schaut in die Runde. Kaum jemand rechnet mit Sekt.

Und doch sehen die leidgeprüften Fans des Bundesliga-Gründungsmitglieds der Entscheidung des Schiedsgerichts mit vorsichtiger Hoffnung entgegen. Die vergangenen Wochen haben ihnen ein gänzlich neues Gefühl gegeben. Die Menschen in Duisburg scheinen zusammengerückt zu sein. Blau-Weiß, die Farben des Vereins, weht von vielen Balkonen, selbst bei Bürgern, die keine Fußballfans sind. Auch auf der weithin sichtbaren Landmarke "Tiger&Turtle", ein begehbares Kunstwerk auf einer Halde im Süden der Stadt, flattert die MSV-Fahne. "One love" — der Slogan der spontanen Rettungsbewegung — ziert Heckscheiben von Autos und Kneipentüren.

Adnan, der seit zwölf Jahren bei den treuesten der Treuen im Stadion in der Fankurve steht, kriegt noch immer eine Gänsehaut, wenn er an den Solidaritätsmarsch mit Tausenden Duisburgern zum Stadion denkt: "In der Not steht die Stadt zusammen. Wir Fans haben das Zebra wieder salonfähig gemacht. Aus dieser Krise könnte etwas ganz Neues erwachsen." Es ist die Hoffnung auf einen Neustart. Nicht nur für den Verein, auch für die Stadt. Adnan wird grundsätzlich: "Was hat Duisburg denn noch, außer dem MSV? Wir haben die Rocker, die Mafia, die Loveparade und eine nicht nutzbare Mercatorhalle", zählt er auf. "Aber wir haben Tausende, die sich als Duisburger fühlen. Weil der MSV unser Verein ist."

Oberbürgermeister Sören Link (SPD) hat die Stimmung in der Stadt erkannt und der Bewegung seine Unterstützung zugesagt. "Ich kann nur sagen, dass ich stolz auf euch bin", rief er den Fans beim Marsch zum Stadion zu. Mehr als Worte kann aber auch der Verwaltungschef nicht leisten.

Denn letztlich entscheidet das Schiedsgericht in Frankfurt, ob der Neuanfang realistisch ist. Experten rechnen nicht damit, dass Richter Udo Steiner dem Lizenzierungsausschuss des Ligaverbandes grundsätzlich widersprechen wird. Der hatte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass aus seiner Sicht die Wirtschaftlichkeit des MSV Duisburg zum Stichtag der Lizenzvergabe nicht gegeben ist.

Demnach wurde vom mittlerweile entlassenen Geschäftsführer Roland Kentsch ein Kredit in Höhe von 360.000 Euro falsch in die Unterlagen eingerechnet, darüber hinaus soll der ehemalige Vereinsvorstand Walter Hellmich sein kurzfristiges Privatdarlehen von 600.000 Euro an Bedingungen geknüpft haben, die nach den Statuten untersagt sind. Nicht nur deshalb ist der Bauunternehmer rund um die Arena ein rotes Tuch für viele MSV-Fans, obwohl ohne seine finanzielle Unterstützung der Verein womöglich schon vor vielen Jahren in der Drittklassigkeit verschwunden wäre. Das Stadion, das ohne ihn wahrscheinlich nie gebaut worden wäre, dient den Anhängern vielmehr als in Stahlbeton gegossener Beweis für den zerstörerischen Größenwahn und die Gier des einstigen Mäzens.

Tatsächlich gründen die millionenschweren Verbindlichkeiten des Vereins wesentlich auf dem Bau der Arena. Hellmichs Unternehmen kleidete das altehrwürdige Wedaustadion für etwa 43 Millionen Euro in ein neues, erstligareifes Gewand. Pro Saison muss der Zweitligist dafür fünf Millionen Euro Miete an die Stadiongesellschaft abführen, deren Vorsitzender Hellmich ist. "Er hat sich aufgeführt, als wäre es sein Verein. Dabei ist er erst seit 2002 dabei. Den MSV gibt es 100 Jahre länger", sagt Diana.

Sie ist so etwas wie die Herbergs-Mutti der Mahnwache, hält die Tagesgäste auf dem Laufenden und tröstet, wenn eine Umarmung nötig ist. Hellmich? Die 50-Jährige lacht und tippt wütend auf das Fan-Tagebuch. "Ich wünsche mir, dass der MSV bleibt", steht darin — in krakeliger Kinderschrift. "Das stammt von zwei Mädchen: sechs und acht Jahre alt", sagt Diana. "Sie hatten ihr Taschengeld dabei und wollten es spenden. Für den MSV. Bedingungslos. Einfach so."

Bereits im vergangenen Winter stand der MSV kurz vor der Insolvenz. Nun müssen der aktuelle Vorstandsvorsitzende Udo Kirmse, der neue Geschäftsführer Björn Scheferling und der neue Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Marbach in Frankfurt auf eine letzte Chance hoffen. "Wir haben das verdient", sagt Diana, "es wird Zeit, dass dieser böse Traum endlich endet."

(RP/anch/csi/can)
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