Leichtathletik Schrader nimmt Kurs auf Moskau

Duisburg · Zehnkämpfer Michael Schrader hat beim Homberger TV angefangen. Über Uerdingen und Dormagen kam er nach Leverkusen und gehört bei der WM in Moskau zum Kader des Deutschen Leichtathletikverbandes.

Ende Mai in Ulm: Es ist nicht das erste Mal, dass Michael Schrader für eine Überraschung sorgt. Bereits vor vier Jahren stieß der damals 21-Jährige unerwartet in die Zehnkampf-Elite vor, als er in Götzis mit 8522 Punkten oben auf dem Siegerpodest landete. Er klopfte laut und vernehmlich an die Tür, hinter der die Weltspitze um den Titel "König der Athleten" streitet.

Nachdem er viele Jahre beständig von Verletzungen zurückgeworfen worden war, lief, stieß, warf und sprang der Athlet des TSV Bayer 04 Ende Mai im Ulmer Donaustadion zu sehr starken 8427 Punkten, katapultierte sich zur damaligen Zeit an die Spitze der Weltjahresbestenliste. Der 26-Jährige war seinerzeit erst der zweite Leverkusener, der in dieser Saison die WM-Norm (8200 Punkte) überbieten konnte. Vor dem in Duisburg geborenen Schrader gelang das bereits Johannes Hock, der im texanischen Waco mit 8293 Zählern eine persönliche Bestmarke aufstellte.

Hinter Schrader lagen bis zu seiner großartigen Wiederauferstehung in Ulm entbehrungsreiche Jahre. 2009, als frischer Götzis-Gewinner und Olympia-Zehnter von Peking, von Bayer Uerdingen nach Leverkusen gewechselt, brachte er es in der Zwischenzeit nur zu einem einzigen vollständigen Zehnkampf. Der brachte ihm 2010 den Deutschen Meistertitel ein (8003 Punkte). Da hatte er den ersten Fußbruch im neuen Trikot zwar bereits auskuriert, aber die Probleme blieben. Im vorigen Jahr sollte Götzis zur Bühne für sein Comeback werden – aber nach einem guten Beginn musste der Schützling von Trainer Torsten Voss nach dem Stabhochsprung am zweiten Tag aussteigen. Nach einer MRT-Untersuchung lautete die bittere Diagnose: Knochenödem am Mittelfuß.

Die Verletzungen blieben Schrader treu, der Traum von Olympia 2012 in London platzte, sogar Gerüchte über ein mögliches Karriereende machten die Runde. Der Rückschlag warf die Frage auf, ob der Körper des Leverkusener Zehnkämpfers den Anforderungen des Hochleistungssports gewachsen sei. Doch davon wollte Schrader nichts wissen. "Ich möchte nur vollständig gesund werden. Wenn das funktioniert, kommen die guten Leistungen von ganz allein", sagte er Anfang dieses Jahres im Brustton der Überzeugung. Und er schien Recht zu behalten. Bei dem Zehnkampf in Ulm ließ er in keiner Disziplin Schwächen erkennen und stellte über 110 Meter Hürden (14,02 Sekunden) und mit dem Diskus (45,62 Meter) sogar neue Bestleistungen auf.

Als Mitte Juni der Deutsche Leichtathletikverband für seine unterschiedlichen Nationalmannschaften die Mehrkämpfer nominierte, gehörte Schrader dazu. Neben ihm waren es Pascal Behrenbruch (LG Eintracht Frankfurt), der mittlerweile die Führung in der Welt-Bestenliste übernommen hat, und Rico Freimuth (Hallesche Leichtathletikfreunde), die das Zehnkampf-Trio bei der vom 10. bis 18. August in Moskau stattfindenden Leichtathletik-Weltmeisterschaft bilden.

In der Vorbereitung auf die WM gehen Schrader und Freimuth einen ungewöhnlichen Weg. Beide wohnen in Halle unter einem Dach in einer Wohngemeinschaft, zu der auch der Boxer Kevin Künzel gehört. Das funktioniert bei den Zehnkampf-Kontrahenten nur deshalb, weil sie "dicke Freunde" sind. So wohnen sie zusammen, ziehen gemeinsam ihre letzten Trainingseinheiten vor der WM durch und lassen sich dabei von noch so heißen Temperaturen nicht stören.

In einem ruhigen Augenblick lassen die Freunde dann den Blick Richtung russische Metropole schweifen. Die Chance sei da, eine Medaille zu holen, sagt Freimuth. Während sein Kumpel Michael verständlicherweise zurückhaltender auftritt. Gesund durchkommen wolle er, sagt Schrader. In einem sind sich aber beide einig: "Langsam kann es losgehen."

(poe)
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