Duisburg Spüren, wie Musik von morgen klingt

Duisburg · Die Konzertreihe "Muziek Biennale" findet an vier Orten diesseits und jenseits der deutsch-niederländischen Grenze von und mit den Multikünstlern Gerhard Stäbler und Kunsu Shim statt.

 Eine sinnliche Balance zwischen Hören und Fühlen abseits der Mainstream-Musik - so soll es in der Konzertreihe zur Sache gehen.

Eine sinnliche Balance zwischen Hören und Fühlen abseits der Mainstream-Musik - so soll es in der Konzertreihe zur Sache gehen.

Foto: Muziek Biennale

Vom 6. bis zum 9. Oktober geht die Konzertreihe "Heute: Morgen! Audiovisuelle Konversationen", die die Duisburger Multikünstler Gerhard Stäbler und Kunsu Shim eigens für die diesjährige Muziek Biennale mit insgesamt über 60 Musikveranstaltungen am Niederrhein entwickelt haben. Präsentiert werden vier Tage lang in Düsseldorf, Duisburg, Goch und Venray (NL) Kompositionen und Texte für Solisten und Ensembles von Johannes Brahms, George Brecht, Christopher Hobbs, Ryoji Ikeda, Arnold Marinissen, Heiner Müller, Mayke Nas, Yoko Ono, Piet-Jan van Rossum, Frederic Rzewski, Robert Schumann, Kunsu Shim und Gerhard Stäbler.

Mit dem Spruch "Wer fühlen will, muss hören", hatte einst der Rundfunk für sich und das Radio Werbung gemacht. Ganz in diesem Sinne formuliert Shim den konzeptionellen Hintergrund für das Biennale-Projekt und sagt: "Musik ist die Liebe zum Hören. Sie ermöglicht die sinnliche Balance zwischen Hören und Fühlen. Die Mainstream-Musik von heute ist dazu aber nicht in der Lage. Von daher verfolgt unsere Projektkonzeption das Ziel, heute zu spüren, wie Musik von morgen klingt."

Stäbler ergänzt das gemeinsame Vorhaben mit den Worten: "Vorausplanungen und die Vorbestimmtheit des Lebens schränken die Freiheit des Menschen allzu oft ein. Beweglichkeit beim Hören und Sehen führen dagegen in aller Regel dazu, offen zu sein, für das, was man nicht kennt. So soll die von uns musikalisch zusammengestellte Konzertreihe mögliche Blockaden bei seinen Zuhörern lösen und Barrieren abbauen helfen. Das zumindest ist unser Ziel." Musik, so Shim weiter, sei aber immer auch ein Beitrag für das Zusammenleben der Menschen, an welchem Ort auch immer. "Deshalb haben wir hier vier gänzlich unterschiedliche Hör-Orte ausgewählt, von denen wir - bis auf einen - alle kennen." Dennoch gingen sie auch dorthin gerne zurück, denn "ein Wiedersehen mit dem Alten, beinhaltet zugleich auch die Chance, Neues sehen zu wollen." (Shim)

In Kooperation mit EarPort Duisburg, der Kunstsammlung NRW K20, der Duisburger Kulturkirche Liebfrauen, dem Museum Goch und Odapark in Venray gestalten die beiden Performance-Künstler und Komponisten zusammen mit dem siebenköpfigen niederländischen Performance-Ensemble "Lunatree" aus Amsterdam und dem aus 18 Vocalisten bestehenden "Bach Ensemble Niederrhein" ein vielschichtiges, eine gute Stunde dauerndes Programm, das - abgestimmt auf den jeweiligen Ort - für das Streben nach Neuem und Innovativem steht. Dem Publikum sollen sich dabei nach dem Willen der Veranstalter außergewöhnliche Einblicke in Tendenzen audiovisueller Performance-Musik beidseits der Grenzen eröffnen. Doch nicht nur kompositorische Neuheiten aus diesem und dem vergangenen Jahrhundert werden zu hören sein, sondern auch Musik von gestern, die seinerzeit, wie bei Robert Schumann ("Frühlingsfahrt" und "Rosmarin" für Chor), eine Musik des Aufbruchs, und bei Johannes Brahms ("Wollust" und "Fragen" für Chor), eine der Emotionen, war. Vieles davon hat experimentellen, improvisierten und interaktiven Charakter in Darbietung und Vermittlung. So wird Stäbler bei seiner Komposition "Ausriss. Hymne für ein anderes Land" von 2015 einen Textauszug aus Heiner Müllers 1970 geschriebenen Theaterstück "Mauser" sprechen und das Publikum dabei zugleich einbeziehen. Hierbei handelt es sich um eine harte, hämmernde, stark verdichtete Sprache im frei gehandhabten jambischen Versrhythmus. Die leitmotivisch verwendeten rhetorisch-poetischen Sprachfiguren kehren immer wieder die zentrale Metapher des Gedichts hervor mit dem inhaltlichen Ziel, Unterdrückung zu beseitigen: "Das Gras noch müssen wir ausreißen, damit es grün bleibt."

(RP)
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