Duisburg Stahlarbeiter wehren sich gegen Fusion

Duisburg · Die Mitarbeiter von Thyssenkrupp in Hamborn geben sich angesichts der gestern vorgestellten Fusionspläne kämpferisch. Sie kritisieren vor allem die Kommunikation des Vorstands. Es gab bereits erste Arbeitsniederlegungen.

 Mitarbeiter des Warmbandwerks blockieren symbolisch das Tor 1 des Thyssen-Standorts in Hamborn.

Mitarbeiter des Warmbandwerks blockieren symbolisch das Tor 1 des Thyssen-Standorts in Hamborn.

Foto: tim Harpers

Lange Gesichter bei der Thyssen-Belegschaft am Standort in Hamborn. Nachdem der Vorstand gestern Morgen die Einigung für die geplante Fusion mit Tata-Steel und damit verbunden den Abbau von mindestens 2000 Arbeitsplätzen bekannt gegeben hatte, fanden sich am Tor 1 gegenüber der Hauptverwaltung rund 150 Beschäftigte des Stahlriesen zusammen, um spontan gegen das Vorhaben zu protestieren. Darunter waren Stahlarbeiter in schmutziger Arbeitskluft, aber auch Gewerkschafter und Mitarbeiter aus einigen anderen Teilen der Belegschaft.

Am späten Vormittag stieß ein großer Teil der Belegschaft des Warmbandwerkes 1 dazu, die sich nach einer langen Besprechung dazu entschieden hatte, ihre Arbeit unmittelbar niederzulegen. Fast zur gleichen Zeit stellten auch Stahlarbeiter des Kaltwalzwerkes 2 in Beeckerwerth die Arbeit ein. Markus Stochert (Stahlarbeiter im Warmbandwerk) sagte unserer Redaktion: "Nach der Nachricht heute Morgen waren wir nicht bereit, weiter zu warten. Wir müssen den Arbeitskampf sofort aufnehmen und für jede Stelle kämpfen."

Thyssen-Fusion mit Tata - das sagen die Mitarbeiter
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Das sagen die Thyssen-Mitarbeiter

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Foto: Tim Harpers

Gewerkschaftsvertreter und Betriebsräte reagierten mit Unverständnis. "Unsere Haltung bleibt unverändert", sagte Frank Müller, Mitglied der Vertrauenskörperleitung der IG Metall. "Wir lehnen diese Fusion ab. Wir fürchten uns vor einem massiven Abbau von Arbeitsplätzen." Die Folgen für die 13.000 Mitarbeiter in Duisburg seien zwar zu diesem Zeitpunkt schwer abzusehen. Doch eines sei sicher: An der "Schlüsselindustrie" - wie Müller die Stahlindustrie nennt - hingen noch deutlich mehr Arbeitsplätze. "Ohne die Stahlindustrie bekommt auch die Weiterverarbeitung Probleme", sagte der Vertrauensmann. Zudem hingen an jedem Mitarbeiter von Thyssen zwei bis drei andere Jobs, vor allem in der Zulieferbranche. Müller forderte deshalb eine langfristige Arbeitsplatzgarantie. Er denke dabei auch an den beruflichen Nachwuchs, denn viele Auszubildende fürchteten, dass sie im Anschluss an ihre Ausbildung nicht übernommen werden.

"Die Fusion birgt große Risiken", sagte Betriebsrat Klaus Mitzkat. Die Wahrscheinlichkeit sei sehr hoch, dass die 4000 Stellen vornehmlich in Deutschland abgebaut würden. Denn die Tata-Werke in England hätten erst vor kurzem einen fünfjährigen Bestandsschutz ausgehandelt. Ein weiterer Standort in Europa, an dem Stellenabbau möglich wäre, sei im niederländischen Ijmuiden. "Dort steht allerdings eine hochmoderne Anlage, und die Satellitenstandorte in Deutschland, die in der Stadt oder der Region verteilt sind, sind schon immer ein Dorn im Auge der Unternehmensführung gewesen."

Auch Thyssen-Mitarbeiter Volker Neumann hält nichts von der geplanten Fusion: "Der einzige Grund dafür ist eine wirtschaftliche Korrektur der Bilanzen." Er hat Angst, dass unrentable Standorte geschlossen werden. "Alle Standorte, beispielsweise auch in Bochum oder Frintrop, müssen erhalten bleiben." Es gelte, Solidarität mit allen Kollegen zu zeigen.

Aysel Ari-Serfice arbeitet seit 25 Jahren für Thyssen. Sie forderte unter anderem zehn bis 15 Jahre Standortsicherung: "Die Fusion ist erst ein guter Schritt in die Zukunft, wenn den Mitarbeitern eine schriftliche Absicherung vorliegt", sagte sie. Dazu gehöre auch, dass in die Werke investiert werde und langfristige Verträge mit Kunden abgeschlossen würden. "Wir brauchen zudem einen Vorstand, der nicht so egoistisch denkt und keine Unsicherheit schafft oder Angst erzeugt."

Reaktion auf Stahlfusions-Pläne: Arbeitsniederlegungen bei Thyssenkrupp in Duisburg
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Arbeitsniederlegungen bei Thyssenkrupp in Duisburg

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Foto: Tim Harpers

Auch Mitzkat kritisierte die Kommunikationsstrategie der Konzernspitze. "Die Informationspolitik des Arbeitgebers ist desolat und vorsätzlich irreführend", sagte er. Er sei sich sicher, dass die Einigung bereits seit geraumer Zeit in trockenen Tüchern sei. "Seit eineinhalb Jahren streut der Vorstand gezielt Fusionsgerüchte in der Öffentlichkeit", sagte Mitzkat. Es sei zudem verwunderlich, dass ein aufwendig gestaltetes Flugblatt, auf dem die Fusionserklärung erläutert werde, am Morgen der Bekanntgabe am Werksgelände verteilt werden konnte. "So ein Dokument wird wochenlang vorbereitet." Auch die Verlegung der Aufsichtsratsitzung vom 12. auf den 24. September hält er für ein "cleveres" Manöver des Vorstands. So rücke das Thema in Zeiten der Bundestagswahl in den Hintergrund.

Oberbürgermeister Sören Link besuchte die Stahlarbeiter bei ihrer Mahnwache an Tor 1 und sprach ihnen seine Solidarität aus. "Dass viele Menschen die Mitteilung über die Fusion erst aus den Medien erhalten haben, zeugt vom schlechten Stil der Konzernspitze", sagte er. "Ich erwarte, dass sie den direkten Draht zu den Vertrauensmännern und zum Betriebsrat wieder aufnimmt." Der Erhalt der Standorte und der Arbeitsplätze müsse absolute Priorität haben.

Mahmut Özdemir und Bärbel Bas, die SPD-Bundestagskandidaten, meldeten sich ebenfalls zu Wort. "In Duisburg stehen mehr als 13.000 Kolleginnen und Kollegen und ihre Familien vor einer unsicheren Zukunft", hieß es in einer Mitteilung der Kandidaten. "Diese Absichtserklärung ist ein alarmierender Schritt. Aber Herr Hiesinger braucht für die Umsetzung der Fusion die Zustimmung des Aufsichtsrates. Die Arbeitnehmervertreter fordern völlig zu Recht Garantien für die Beschäftigten. Wir brauchen jetzt Standort- und Beschäftigungssicherung sowie zukunftssichernde Investitionen."

Die Vertreter der Duisburger CDU haben die Fusionspläne mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen. "Auf der einen Seite ist es wichtig, für den Stahlbereich von Thyssenkrupp eine nachhaltige Perspektive zu schaffen. Das kann durch die Fusion von Thyssenkrupp und Tata gelingen", war sich CDU-Bundestagskandidat Thomas Mahlberg sicher. Die andere Seite der Medaille sei aber der Abbau von zahlreichen Stellen. "Das ist für die betroffenen Mitarbeiter eine Katastrophe. Auch wenn der Vorstandsvorsitzende Heinrich Hiesinger beteuert, dass diese und womöglich noch weit mehr Stellen ohne die Fusion ohnehin weggefallen wären, ist den Betroffenen mit dem Zusammenschluss natürlich wenig geholfen, wenn sie am Ende ohne Arbeit dastehen", sagte Mahlberg.

(jlu)
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