Duisburg Teppichklopfer zum Vermöbeln

Duisburg · Mit einer großen Einzelausstellung stellt das Lehmbruck-Museum die Bildhauerin Wiebke Siem vor, die Alltagsgegenstände verfremdet und damit einen bissigen Kommentar zur heimatlichen Geborgenheit liefert.

 Blick auf den riesigen Teppichklopfer und die überdimensionierte "Hängelampe".

Blick auf den riesigen Teppichklopfer und die überdimensionierte "Hängelampe".

Foto: Andreas Meichsner (über Lehmbruck-Museum)

Ein riesiger Teppichklopfer aus Schaumstoff ist einer der vielen Blickfänge im Lehmbruck-Museum. Dort wird aus Anlass der Heimat-Akzente eine Einzelausstellung der Künstlerin Wiebke Siem (Jahrgang 1954) gezeigt, die im vergangenen Jahr mit dem renommierten Kaiserring Goslar geehrt wurde; eine Auszeichnung die vor ihr so berühmte Künstler wie Henry Moore, Gerhard Richter oder Jenny Holzer zuteil wurde. Die Duisburger Schau ist die bislang umfassendste Einzelausstellung mit Werken von Wiebke Siem, die seit drei Jahrzehnten eine bedeutende Rolle in der deutschen Kunstszene spielt.

 Wiebke Siem inmitten ihrer Installation "Hot Skillet Mama", die die von außen einsehbare Glashalle des Lehmbruck-Museums füllt.

Wiebke Siem inmitten ihrer Installation "Hot Skillet Mama", die die von außen einsehbare Glashalle des Lehmbruck-Museums füllt.

Foto: christoph reichwein

Wiebke Siem arbeitet mit tatsächlichen oder vermeintlichen Alltagsgegenständen. Ihre Bildsprache ist scheinbar einfach, erobert auch gleich die Herzen der Besucher. Man schmunzelt beispielsweise beim Anblick des Teppichklopfers, ein Werkzeug, das längst durch leistungsstarke Staubsauger abgelöst wurde. Die etwas ältere Generation erinnert sich aber noch an das Geräusch des Klopfers, der allerdings mitunter auch zweckentfremdet wurde: Mütter und Väter nutzen ihn gelegentlich, um ihre Kinder damit zu vermöbeln...

Wiebke Siem baut auch ganze Zimmer nach, wobei die Möbel an das berühmt-berüchtigte Gelsenkirchener Barock erinnern. Bei einem Doppelbett sind die Federbetten akkurat gebügelt und geweißt, ganz so, wie es das hausfrauliche Ideal einst vorschrieb. Aus einem mit Wollstoff umhüllten Schrank wachsen lange Arme mit Händen, ähnlich sieht eine überdimensionierte Küchenlampe aus, aus der Arme und Beine baumeln.

All diese Arbeiten haben etwas Humorvolles; das Abgründige zeigt sich erst auf den zweiten Blick. Die Lampe, aus der menschliche Extremitäten herauszuragen scheinen, könnte auch auf einen Selbstmord hinweisen. Die langen Arme und Hände, die aus harmlosen Gegenständen ragen, können auch kindliche Alpträume widerspiegeln. So manche Verfremdung bekommt bei näherer Betrachtung etwas Monströses.

Im Pressegespräch bestand Wiebke Siem gestern darauf, ihre Arbeiten nicht biografisch zu verstehen. Ihr gehe es um geschichtlich-gesellschaftliche Themen. "Man darf Kunst niemals persönlich verstehen!", sagte die Künstlerin, die mehrere Jahre als Professorin für Bildhauerei an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg gelehrt hat. Viele ihrer Werke bezögen sich auf die jüngere Kunstgeschichte, wobei die Auseinandersetzung mit "dem Muff und der Kleinbürgerlichkeit" eine große Rolle spiele. Das Beengende, das Wiebke Siem mit bissigem Humor in ihren Werken zum Ausdruck bringt, mag man auch als Kritik an Formen des Zuhause-Seins verstehen, das Geborgenheit nur vorgaukelt. "Die Spießigkeit ist das Bedrohliche", sagt sie.

In der von draußen einsehbaren Glashalle des Museums hängen eigentümliche, skelettartige Skulpturen wie Marionetten an langen Strippen an der Decke (Titel: "Hot Skillet Mama"). Fremdes und Vertrautes scheinen sich da zu vermischen. Diese denkwürdige Dialektik ist faszinierend und irritierend, vielleicht sogar ein wenig unheimlich.

Die Ausstellung wird am Samstag, 7. März, 16 Uhr, im Lehmbruck-Museum eröffnet. Im Anschluss an die Grußworte führt Wiebke Siem zusammen mit dem Kurator der Schau, Dr. Michael Krajewski, durch die Ausstellung, die neben den Skulpturen auch zahlreiche grafische Werke der Künstlerin präsentiert. (Bis 19. April)

(RP)
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