Duisburg "Über Arbeit wird fast immer falsch gedacht"

Duisburg · Götz W. Werner, Gründer der dm-Drogeriemarktkette, hielt gestern seine erste Vorlesung als Mercator-Professor und bewies dabei, dass er zu Recht als Querdenker der deutschen Wirtschaft gilt.

Seinen ersten Vortrag als Mercator-Professor hat Götz W. Werner, Gründer und langjähriger Geschäftsführer der Drogeriemarktkette dm, ziemlich langweilig überschrieben: "Wirtschaft heißt, miteinander füreinander leisten." Bei einem solchen Titel erwartet man eigentlich nichts Ungewöhnliches. Doch weit gefehlt: Werner, der gestern stets freundlich und gut gelaunt wirkte, machte seinem Ruf als Querdenker der deutschen Wirtschaft alle Ehre.

Das wurde schon beim Pressegespräch vor seiner Vorlesung deutlich. Ganz bewusst spricht Werner immer von "wir", wenn er über die 40 000 Angestellten und die täglich 1,8 Millionen Kunden der dm-Märkte spricht. Werner ist überzeugter Anthroposoph und beruft sich auf die Aufklärung und Kant: Der Mensch darf nie nur Mittel, sondern stets Zweck sein. Um das zu sehen, müsse man aber kein Philosoph sein, meinte er. Im Gesprächsverlauf meinte er schmunzelnd: "Ich habe mich irgendwann bei der Universität des Lebens immatrikuliert." Werner ist überzeugt davon, dass wir ganz anders über die Arbeit denken müssen, als bisher geschehen. Er sprach dabei von einer Art kopernikanischer Wende. Kopernikus fand heraus, dass sich die Erde um die Sonne dreht und somit nicht die Erde der Mittelpunkt des Universums ist. Werner sagt, dass die Arbeit nicht da ist, um Geld zu verdienen. Erst durch die Bezahlung werde Arbeit erst möglich. Arbeit müsse als Chance gesehen werden, sich zu entwickeln. Deshalb sei es falsch, Arbeit und Einkommen zu koppeln. Diese Erkenntnis habe er im Laufe seines Lebens gewonnen. Dabei habe auch ein Wahlkampfplakat eine Rolle gespielt, auf dem "Sichere Arbeit" gefordert wurde. "Arbeit muss nicht gesichert, sondern erledigt werden", sagt Werner. Gesichert werden müsse das Einkommen, nicht die Arbeit. Er plädiere deshalb für die Einführung einer Grundsicherung beziehungsweise eines Mindesteinkommens.

Als Beispiel nannte er die Schlaglöcher, die nicht beseitigt werden, weil angeblich das Geld fehle. Die Schlaglöcher könnten, so Werner, nur dann nicht beseitigt werden, wenn es keine Menschen gäbe, die dazu in der Lage sind. Aber das sei offensichtlich nicht der Fall.

Werner, der 1973 seine erste dm-Filiale aufmachte, zog sich 2008 aus der operativen Geschäftsführung zurück und wechselte in den Aufsichtsrat. "Kreativität und Kontinuität" sei sein Konzept. Verantwortlich fühlt er sich als "Pionier-Gründer" nach wie vor. Mit sichtlicher Freude spricht er über seine neue Arbeitsphilosophie, die man als idealistisch bezeichnen kann, die aber höchst anregend ist. Viele seiner Sätze spiegeln Lebensklugheit wieder. Gestern sagte er beispielsweise, dass man Freizeit und Arbeitszeit nicht trennen solle, beides sei schließlich "unsere Lebenszeit".

(RP)
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