Duisburg Von der Tafel in den Mund

Duisburg · 93 Ehrenamtliche sind für die Duisburger Tafel aktiv. Eine Einrichtung, ohne die es für viele Menschen schwierig wäre, ihren Alltag finanziell zu bestreiten.

 Tafel-Geschäftsführer Günter Spikofski im Gespräch mit einer Mitarbeiterin, die die Tafel-Ausweise der Besucher kontrolliert.

Tafel-Geschäftsführer Günter Spikofski im Gespräch mit einer Mitarbeiterin, die die Tafel-Ausweise der Besucher kontrolliert.

Foto: csk

Vor dem Haus mit der Nummer 30 an der Brückenstraße in Hochfeld hat sich schon um halb neun morgens eine Menschenschlange gebildet. Es ist kalt, aber sonnig. Doch auch wenn das Wetter nicht so gut ist, sieht es hier nicht anders aus. Denn die Menschen sind gekommen, um sich Lebensmittel abzuholen. Und die werden bei jedem Wetter benötigt. Rund 130 bis 150 Menschen, bei denen die finanziellen Mittel kaum zum Leben ausreichen, besuchen an fünf Tagen in der Woche den kleinen Laden der Tafel, wo sie mit allem ausgestattet werden, was Magen und oftmals auch das Herz füllt. Es sind Wohnungslose, die kommen, genauso wie arme Menschen und die, die einsam sind, erzählt Günter Spikofski, Tafel-Geschäftsführer.

"Wir sind nicht diejenigen, die die Armut beseitigen können", sagt Spikowski, "aber wir können die Not lindern und finanzielle Entlastung verschaffen." Armut sei ein generelles Problem, das nur von der Politik behoben werden könne. Vielen fehle die Perspektive, sich aus diesem Leben zu befreien. "Es kostet unheimlich viel Kraft, ein solches Leben auszuhalten", sagt Spikowfski. Einige kämen schon seit Jahren und es sei klar, da tut sich nichts mehr. "Wir sind alle immer nur zwölf Monate von Hartz vier entfernt. Da kann man schnell reinrutschen", sagt der 57-Jährige.

Das Angebot im Tafelladen ist vielfältiger als man annehmen könnte. Für einen obligatorischen Euro pro Person (Familien drei Euro) gibt es neben Brot, Käse und Wurst oft auch Besonderheiten wie Pizza, Schokolade und sogar Blumen. Heute stehen lila Tulpen in dem Vorraum zum Laden. Eine willkommene Abwechslung im grauen Alltag vieler. Herausgegeben wird, was reinkommt. Jeden Tag sind etwa zehn Fahrer der Tafel im Stadtgebiet unterwegs und holen bei Discountern, Supermärkten, Großhändlern und Geschäften die Lebensmittel ab. Aber auch überregionale Firmen bestücken die Tafel mit Ware, diese werden unregelmäßiger angefahren. "Die Tiefkühlpizzen stammen zum Beispiel aus Gelsenkirchen", erzählt Spikofski. Als dritte Säule gibt es das Tafelnetzwerk. Spikofski: "Es gibt 40 Tafeln entlang der A40, von Kamp Lintfort bis Dortmund. Da werden dann Lebensmittel ausgetauscht." Aus all diesen Quellen kommen täglich fünf Tonnen Lebensmittel zusammen. Manchmal sind es Überproduktionen, mit denen am Folgetag kein Geschäft mehr zu machen ist. Der Anspruch der Käufer im Supermarkt ist hoch. Fast ausschließlich werden Produkte aufs Kassenband gelegt, die tadellos und mit einem weit entfernten Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) versehen sind. Spikowski: "Alles, was wir hier haben, ist genau genommen Müll. Wenn wir das nicht nehmen würden, kämen die Lebensmittel in den Abfall. Wenn ein Produkt laut MHD nur noch zwei Tage haltbar ist, will es keiner mehr." Dabei sind die Waren meist einwandfrei. Dieses anspruchsvolle Konsumverhalten sorgt immerhin dafür, dass der Tafelladen stets gut und vielseitig gefüllt ist.

Wartemarken, die schon vor der Tür verteilt werden, regeln den Ablauf. Immer fünf Menschen werden eingelassen und drehen dann ihre Runde im Tafelladen. Spikofski: "Man kann aussuchen, was man möchte, die Menge bestimmen wir." Wir, das sind Menschen wie Maria Eberhardt. Seit anderthalb Jahren ist sie eine der Freiwilligen, die die Lebensmittel ausgibt. Ihre Motivation, so sagt sie, sei etwas für Menschen tun zu wollen, wo keine Institution hinter stecke. Die Tafel ist auf Menschen wie sie angewiesen. Denn die Einrichtung finanziert sich zu 100 Prozent aus Spenden. Freiwillige Arbeit ist also unabdingbar. Aber die meisten würden ehrenamtliche Tätigkeiten als kurzzeitiges Projekt betrachten. Das sei der heutigen Zeit geschuldet, in der viele zwar etwas Gutes tun wollten, aber nicht unbegrenzt Zeit hätten. Darum benötige die Tafel auch immer wieder neue Freiwillige, die ihre Zeit dem Wohl anderer Menschen widmen wollten, sagt Spikofski. Am Ende profitierten beide Seiten davon. Spikofski: "Mich hat meine Arbeit sensibler im Umgang mit Lebensmitteln gemacht. Und ein ganzes Stück demütiger mit dem Leben selbst."

(RP)
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