Duisburg Warum ich in der Karmel-Kommunität lebe

Duisburg · Der bekannte Duisburger Theologe Prof. Dr. Franz-Josef Nocke (81) schreibt über seine von der Religion geprägte Gemeinschaft.

 Prof. Dr. Franz-Josef Nocke, der von 1981 bis 1998 in Duisburg und Essen katholische Theologie lehrte, lebt heute mit elf anderen Menschen in den Wohnungen, in denen früher Ordensschwestern zu Hause waren.

Prof. Dr. Franz-Josef Nocke, der von 1981 bis 1998 in Duisburg und Essen katholische Theologie lehrte, lebt heute mit elf anderen Menschen in den Wohnungen, in denen früher Ordensschwestern zu Hause waren.

Foto: christoph reichwein

Vor sieben Jahren bin ich in die Karmel-Kommunität am Innenhafen gezogen. Was hat mich dazu bewogen? Was hält mich hier? Wenn ich mich recht verstehe, geht die Motivation weit zurück bis in meine Jugend. Heute sehe ich einen roten Faden: Es tut gut, in einer Gruppe zu leben, in der man zugleich Gebender und Nehmender ist. Das habe ich schon als Jugendlicher in einer Gruppe der Bündischen Jugend erlebt.

Ähnlich im Studium. Meine Studienzeit war stark geprägt von einer Suchbewegung: Suche nach dem beruflichen Weg - was sollte ich werden? Und zugleich Suche nach dem verborgenen Gott - Hunger nach Gewissheit. Die Suche brachte mich an fünf verschiedene Universitäts-Orte: Paderborn, Innsbruck, Münster, München, Paris. An all diesen Orten habe ich versucht, eine entsprechende Gruppe zu finden - oder eben selbst zu gründen. Wir trafen uns an Abenden, wir fuhren zusammen raus, wir sorgten füreinander, wenn einer beim Skifahren den Fuß gebrochen hatte, wir diskutierten über Gott und die Welt - und über uns selbst. Rückblickend kann ich sagen: Das waren Orte geistlicher Erfahrung.

Als ich Kaplan in Essen war, dachten wir mit einigen Kollegen nochmals in eine ähnliche Richtung: Uns schwebte eine Gemeinde vor, die von einer in Gemeinschaft lebenden Gruppe kollegial geleitet würde. Dafür schien uns auch das erneuerte Kirchenbild des Zweiten Vatikanischen Konzils zu sprechen: Kirche nicht als Pyramide, sondern als wanderndes Volk, Weg-Gemeinschaft von Menschen. Aus unseren Plänen wurde erst mal nicht viel (nicht alle in der Kirche teilten dieses Ideal), - außer dass wir uns in einem Kreis von Kaplänen mit einer gewissen Regelmäßigkeit trafen. Und dass ich einigen jungen Menschen vielleicht eine Ahnung von diesem Ideal vermitteln konnte.

Etwas Ähnliches gehört für mich zu den Kostbarkeiten in den Jahrzehnten an der Duisburger Uni. Die Fachgruppe Katholische Theologie wurde, auch in guter Nachbarschaft zur Evangelischen Theologie, weitgehend zu dem, was man nach einem alten Ideal "Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden" nennen könnte. Zu den Vorlesungen, Seminaren, Einzelgesprächen bis in die Nacht kamen gemeinsame Wochenenden. Erst zum Kennenlernen. Später auch wissenschaftliche Exkursionen, die gleichermaßen von detaillierten Studien, grundsätzlichen Orientierungen und internationalen Begegnungen geprägt waren: an den Mittelrhein, nach Frankreich, nach Israel und schließlich nach Indien. Was dies den Studierenden bedeutete, zeigte sich unter anderem daran, dass die meisten ihre Studienzeit um mehrere Semester verlängerten - viele von ihnen nahmen in der vorlesungsfreien Zeit Ferienarbeit an, um das notwendige Geld zu verdienen. Ich selbst habe verlockende Berufungen an andere Hochschulen abgelehnt - und das nie bereut. Auch für etliche "Ehemalige" und für ältere Studierende waren die Evangelische und die Katholische Theologie in Duisburg zu einem Treffpunkt geworden, an dem man menschlich-geistlich auftanken konnte. Umso stärker war der Verlust, als die Theologie in Duisburg aufgelöst und nach Essen verlegt wurde. Damals entdeckten manche den Karmel am Innenhafen als ihre neue geistliche Tankstelle. Sie sagten: "Wir gehen jetzt zu Pater Hermann."

Das wurde auch für mich zu einem Signal. Ich hatte in der Gemeinde "Christus unser Friede" in Duisburg-Hagenshof 25 Jahre lang als Subsidiar mitgearbeitet und auch dort viel erfahren und erlernt. Als nun aber mit der Pensionierung des dortigen Pfarrers Günter Becker ein Personalwechsel anstand, kam ich näher mit Pater Hermann und seiner Karmel-Gemeinde in Kontakt. Und ich entdeckte wiederum ein Feld, das mir lag: Suchende Menschen aus allen Stadtteilen und von entfernteren Orten, mit Hunger nach einer heutigen Gestalt des Glaubens, mit Lust an seiner Gestaltung. Menschen, die gewachsen sind in innerkirchlichen Bewegungen und Konflikten, und zugleich offen für Begegnung, auch mit Menschen anderer Herkunft. Und dabei dankbar für die stille und zugleich aufmerksame Präsenz der Karmel-Schwestern. Hier konnte ich gern mitwirken.

Als die Schwestern aus Altersgründen wegzogen, entwickelten die drei Karmeliter, P. Anton, P. Hermann, und P. Wilfried, zusammen mit Renate Reichert, die seit langem die Gemeindepastoral mitträgt, den Plan, das Schwestern-Kloster so umzubauen, dass eine Kommunität darin Platz fände. Mit Wohnungen teils für einzelne, teils für mehrere Personen. So entstand Platz für verschiedene Weisen von Nähe und Distanz.

Das entspricht auch unserer heutigen Zusammensetzung: Menschen in verschiedenen Berufen, mit unterschiedlicher Lebensgeschichte, unterschiedlicher nationaler und auch konfessioneller Herkunft, von daher in auch unterschiedlicher Nähe zueinander, wohnen unter einem Dach, aber lassen sich gegenseitig Raum. Sie treffen sich an einigen fest vereinbarten Zeiten zu gemeinsamem Essen, zu Gebet und Gespräch, zur Absprache über gemeinsame Aufgaben, und versuchen, jede und jeder auf die zu seiner Person passende Weise, dem Leben der Karmel-Gemeinde zu dienen.

Sind wir ein Freundeskreis? Das würde ich nicht sagen. Sondern lieber: eine Gruppe von Geschwistern, die hin und wieder ihre Beziehungen zueinander neu justieren. Aber immer vereint durch die gemeinsame Aufgabe am Dienst dieser Gemeinde. Das kann gelegentlich Anstrengung kosten; aber gerade das macht auch Freude. Und lässt die alte Verheißung spürbar werden: "Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammenkommen ..."

Dabei mache ich gern mit.

(RP)
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