Duisburg Weltvermesser hatte hier seine Heimat

Duisburg · Gerhard Mercator (1512 - 1594) lebte die letzten 42 Jahre seines Lebens in Duisburg, wo er den bedeutendsten Teil seines Lebenswerkes schuf. Obwohl er ein Zugereister war, gilt er als größter Sohn der Stadt und als Identifikationsgestalt.

 Vor drei Jahren wurde diese Sonderbriefmarke herausgegeben.

Vor drei Jahren wurde diese Sonderbriefmarke herausgegeben.

Foto: Probst, Andreas (apr)

Zugegeben: Gerhard Kremer wurde am 5. März 1512 in Rupelmonde bei Antwerpen geboren. Er ging in 's-Hertogenbosch zur Schule, studierte in Löwen, wo er auch seine ersten kartographischen Werke schuf. Aber weil Gerhard Kremer, der seinen Namen, dem Brauch der Zeit folgend, latinisierte und sich als Erwachsener Mercator nannte, von 1552 bis zu seinem Tode am 2. Dezember 1594 in Duisburg lebte, gilt er als großer, sogar größter Sohn der Stadt. Bezeichnend ist, dass beim Mercator-Jahr vor drei Jahren (500. Geburtstag) der Vorschlag kursierte, Duisburg den Beinamen "Mercator-Stadt" zu geben.

 Werner Pöhling vom Kultur- und Stadthistorischen Museum erläutert hier das Kartenwerk Mercators. Dessen nach ihm benanntes Projektionsverfahren machte genaues Navigieren möglich und rettete viele Menschenleben.

Werner Pöhling vom Kultur- und Stadthistorischen Museum erläutert hier das Kartenwerk Mercators. Dessen nach ihm benanntes Projektionsverfahren machte genaues Navigieren möglich und rettete viele Menschenleben.

Foto: probst (archiv)

Bis vor einigen Jahren wurde gesagt, dass Gerhard Mercator aus Flandern nach Duisburg "geflohen" sei. Dr. Gernot Tromnau, langjähriger Direktor des Kultur- und Stadthistorischen Museums in Duisburg, korrigierte bereits im Gedenkjahr 1994 (400. Todesjahr) diese Legende. Zwar wurde Mercator 1544 wegen Ketzerei, genauer: "Lutterye", für einige Monate im Kastell Gravensteen in Rupelmonde eingekerkert, doch sieht Tromnau in Mercators Umsiedlung nach Duisburg acht Jahre später eher einen "geordneten Umzug". Fest steht jedenfalls, dass der schon damals berühmte Gelehrte all seine Unterlagen, auch seine Druckplatten, mitnehmen konnte.

Weshalb Mercator ausgerechnet ins damals eher provinzielle und mit 3000 Einwohnern recht übersichtliche Duisburg ging, weiß man nicht genau. Vielleicht wurde Mercator durch die Aussicht auf eine Universitätsgründung gelockt, die dann aber erst 100 Jahre später vollzogen wurde.

Vielleicht suchte Mercator aber auch einen Ort, an dem er frei arbeiten und seine Meinung sagen durfte: Wilhelm IV., Herzog über Jülich, Kleve und Berg (und damit auch über Duisburg), gilt bei Historikern als liberaler Landesherr. Gerhard Mercator war nicht nur ein großer Kartograph, der alle erreichbaren Quellen seiner Zeit kritisch für seine zahlreichen Karten prüfte, sondern auch ein begabter Kupferstecher, Illustrator und Handwerker. Ein schönes Beispiel für sein künstlerisches Talent ist sein Himmelsglobus.

Das Sternbild des Großen Bären versah er übrigens mit einem Hundeschwanz, um alle Sterne einzeichnen zu können... In seiner Werkstatt beschäftigte er auch seine Söhne. Einer von ihnen, Rumold, gab ein Jahr nach Mercators Tod ein Werk heraus, das jedes Schulkind kennt: den Atlas.

Weshalb Mercators Karten so genau waren, lässt sich kurz erklären: Sie waren für die Seefahrt ("ad usum navigantium"), nicht für die Studierstube bestimmt. Das trieb den erfolgreichen "Kartenstecher" 1569 wohl auch zu jener großen Erfindung an, jener genialen Wandkarte, die nach einem Gradnetz-Entwurf angefertigt wurde, der bis heute den Namen "Mercator-Projektion" trägt.

Sie verbürgt jene Exaktheit, die es Seefahrern ermöglicht, ein angesteuertes Ziel kursgenau zu erreichen. Mercators erster Biograf, sein Freund und Nachbar Walter Ghim, war begeistert, wie es Mercator gelungen war, "die Kugeloberfläche (der Erde) in der Ebene auszubreiten". Noch heute werden See- und Landkarten in dem von Mercator erdachten Projektionsverfahren erstellt. Seine wegweisenden Ideen zur Navigation sind Grundlage für GPS-Geräte und Satelliten.

Im Kultur- und Stadthistorischen Museum wird eine der größten und bedeutendsten Sammlungen zu Gerhard Mercator bewahrt. Die Dauerausstellung in der so genannten "Mercator-Schatzkammer" beleuchtet die kostbaren Bestände aus einer ungewohnten, "universalen Perspektive".

In einem Faltblatt des Museums heißt es: "Der Duisburger Gelehrte steht beispielhaft für die Leistungen von Menschen, die in einem fremden Land eine neue Heimat fanden. Globales Denken, die Freiheit der Wissenschaften, die Toleranz zwischen Religionen und Kulturen - die Themen der Mercator-Zeit sind auch für uns heute von großer Relevanz."

Wie groß in Duisburger der Wunsch nach einer positiven Identifikationsgestalt wie Gerhard Mercator ist, zeigen die kühnen Pläne, Gerhard Mercators Wohnhaus nachzubauen, das im Zweiten Weltkrieg zerstört und dann ganz abgerissen wurde. Die Idee dazu hatte zum Ende des Mercator-Jahrs 2012 Kai Gottlob, Geschäftsführer des Filmforums und Regisseur vorzüglicher Dokumentarfilme zur Duisburger Stadtgeschichte.

Damals stieß man bei Ausgrabungen gegenüber dem Rathaus auf Fundamente des Wohnhauses des berühmten Kartographen. Mittlerweile gehen die Gedankenspiele noch weiter: Der Nachbau von Gerhard Mercators Wohnhaus soll Herzstück eines neuen, überaus attraktiven Areals in der Duisburger Innenstadt mit dem Namen "Mercator-Quartier" werden. Dieses Quartier soll nachhaltig daran erinnern, dass der große Weltvermesser hier seine Heimat gefunden hat. Ein historisches Symbol für die Weltoffenheit Duisburgs.

(pk)
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