Duisburg Wenn der Schmerz nicht mehr geht

Duisburg · Zwölf bis 15 Millionen Menschen leiden bundesweit an länger andauernden oder wiederkehrenden Schmerzen. Die Schmerzambulanz des Duisburger Sana-Klinikums kann den Patienten zumindest Linderung verschaffen.

 Dr. Alexandra Knille (rechts) weiß um die Probleme der Patienten, die eine Schmerztherapie brauchen.

Dr. Alexandra Knille (rechts) weiß um die Probleme der Patienten, die eine Schmerztherapie brauchen.

Foto: Leskovar

Frau S. leidet seit über 30 Jahren unter chronischen Schmerzen am ganzen Körper. Seit 2010 ist sie mittlerweile Patientin in den Sana-Kliniken. Zwölf bis 15 Millionen Menschen leiden an länger andauernden oder wiederkehrenden Schmerzen. Diese Zahl liefert die Deutsche Schmerzliga, eine seit 1990 existierende Selbsthilfeorganisation für Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden. Die Auswirkungen und auch die Behandlungen von solchen Krankheiten sind aber noch relativ unbekannt - vor allem bei Betroffenen selbst. Aus diesem Grund gibt es seit einigen Jahren einen bundesweiten Aktionstag gegen den Schmerz.

Mit dabei sind auch jedes Jahr die Sana-Kliniken, die Vorträge, Informationsstände und Selbsthilfegruppen zu diesem Thema an einen Ort bringen. Betroffene können so lernen, wie sie mit den Schmerzen umzugehen haben oder welche Behandlung bei welchem Arzt am besten für sie ist.

Eine Patientin, die bereits seit 2010 in der Schmerzambulanz der Kliniken an den Rehwiesen behandelt wird, ist Frau S. (wollte ihren Namen nicht öffentlich machen). Sie ist damit eine der ersten Patienten von Dr. Alexandra Knille gewesen, die die Ambulanz seit eben diesem Jahr leitet. "Ich habe Schmerzen, seitdem ich 20 Jahre alt bin", berichtet die 54-Jährige. Die wahrscheinliche Ursache für die Schmerzen ist ein Autounfall, der sich 1981 ereignet hatte. Von dem Aufprall hat S. ein Schleudertrauma davon getragen. Das haben die Ärzte aber erst über ein Jahr nach dem Unfall diagnostizieren können. Seit dem Unfall seien zunächst Kopfschmerzen und dann Schulterschmerzen immer schlimmer geworden, erzählt die Patientin.

Am schlimmsten seien die Schmerzen zwar an den Schultern und im Bereich der Halswirbelsäule, treten aber am ganzen Körper auf. Dr. Knille hat bei der Patientin Fibromyalgi diagnostiziert. "Das ist ein Syndrom aus Ganzkörperschmerz, Müdigkeit, Schmerzempfindlichkeit und Depression", so die Ärztin. Davon seien vor allem Frauen im mittleren Alter betroffen. Das Syndrom betreffe die Muskeln und die Sehnenansätze des Betroffenen. Hinzu komme, dass die Gelenke anschwellen. "Man könnte sagen, dass es eine Sonderform von Rheuma ist, nur dass keine Entzündungen auftreten", so Dr. Knille weiter. Frau S. leidet zudem unter chronischen Schulterschmerzen sowie unter einem Bandscheibenvorfall und ist schon mehrmals operiert worden.

Durch die Schmerzen ist S. erheblich im Alltag eingeschränkt: "Zu 80 Prozent behindert mich die Krankheit." Im Haushalt oder der Gartenarbeit - einem Hobby der 54-Jährigen - mache sich das am intensivsten bemerkbar. Zudem leidet sie unter erheblichen Schlafstörungen. Berufstätig ist die Patientin dennoch: Sie arbeitet in Teilzeit als Verkäuferin. "Je nach meiner körperlichen Verfassung arbeite ich mal länger und mal kürzer", so S.. "Meine Chefin kommt mir da sehr entgegen." Behandelt wird sie nicht nur mit Medikamenten, da die Schmerzen chronisch sind und auch Auswirkungen auf die Psychen haben. "Eine solche Krankheit hat Auswirkungen auf Familie und Beruf", so die behandelnde Ärztin. "Das setzt sich auch im Kopf eines Betroffenen fest." S. bekommt wöchentlich eine Infusion. Darüber hinaus hat sie einmal in der Woche Krankengymnastik und geht schwimmen. Bei extremen Schmerzen gehe sie gerne auf die Sonnenbank, da die Wärme helfe. Auch eine spezielle Behandlung mit Stromimpulsen an betroffenen Stellen verschafft Besserung.

Eine Chance auf Heilung besteht für S. nicht. "Solche chronischen Krankheiten sind nicht heilbar", erklärt Dr. Knille. "Mit der optimalen Therapie können die Schmerzen aber um 50 Prozent reduziert werden." Auch die Patientin selbst hat wenig Hoffnung auf eine schmerzfreie Zukunft: "Ich weiß, dass es immer schlimmer wird, je älter ich werde." Neben einer guten ärztlichen Betreuung sei man auch selbst in der Pflicht, so die Patientin. "Es gilt, stark zu sein und niemals aufzugeben. Ich muss immer wieder selbst auf meinen Körper hören."

Über das Angebot von Ärzten im Bereich der Schmerztherapie verliert die 54-Jährige keine guten Worte. "Für Schmerzpatienten ist die Versorgung sehr schlecht", sagt S. "Es ist ein echtes Martyrium, den richtigen Arzt und die richtige Therapie zu finden." Die Ärztin ergänzt: "Es ist wie ein Sechser im Lotto, einen Schmerztherapeuten zu finden, mit dem auch die Chemie stimmt." Das Problem sei, dass es für Ärzte unattraktiv sei, sich in der Schmerztherapie fortzubilden. Die Ausbildung sei zu zeitaufwendig und andere ärztliche Leistungen, wie die Neurologie würden besser bezahlt. So herrscht bundesweit ein Mangel an Ärzten auf dem Fachgebiet. "Die Therapeuten sind total überlastet und haben Wartezeiten von bis zu einem halben Jahr oder nehmen gar keine neuen Patienten mehr auf", berichtet die Ärztin. Darunter leiden die vielen Patienten, die eine Behandlung dringend nötig haben, aber "in der Luft hängen."

(jlu)
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