Innenansichten Duisburgs Polizei Wichtigste Regel: niemals provozieren lassen

Duisburg · Sie kommen, wenn es auf der Kreuzung gekracht hat. Sie schlichten Streitigkeiten, sichern Tat- und Unfallorte ab, befragen und klären Sachverhalte und bringen ihre Erkenntnisse gewissenhaft zu Protokoll - die Beamten im Wach- und Wechseldienst sind in der öffentlichen Wahrnehmung "Die Polizei".

 Wolfgang Orscheschek ist Polizist aus Leidenschaft. Der Leiter der Wache Rheinhausen kann seinen jungen Kollegen mit reichlich Berufserfahrung helfen.

Wolfgang Orscheschek ist Polizist aus Leidenschaft. Der Leiter der Wache Rheinhausen kann seinen jungen Kollegen mit reichlich Berufserfahrung helfen.

Foto: Reichwein

Wolfgang Orscheschek ist Erster Polizeihauptkommissar und leitet die Wache Rheinhausen mit 46 Beamten im Wach- und Wechseldienst und sieben weiteren Bezirksbeamten. In dem Dienstgebäude an der Ulmenstraße herrscht niemals Ruhe. "Die Wache ist Tag und Nacht besetzt", erklärt er. Entsprechend arbeiten die Polizeibeamten im Früh- , Spät und Nachtdienst. Mindestens zwei Streifenwagenbesatzungen und weitere Mitarbeiter auf der Wache sind immer anzutreffen. Im Alltag haben die Polizeibeamten bei ihrer Arbeit außerhalb der Wache relative Gestaltungsfreiheit. Sie fahren dorthin, wo ihre Präsenz nötig ist. Weil sie ständig auf Achse sind, haben sie im Falle eines Einsatzes meist die Nase vorne und sind zum Beispiel oft noch vor dem Rettungsdienst an Unfallorten - mit allen Aufgabenstellungen, die sich dann dort ergeben.

Orscheschek ist seit 39 Jahren im Dienst und hat vermutlich so ziemliches alles erlebt, was Beamten im Wach- und Wechseldienst widerfahren kann. Er war dabei, als vor bald drei Jahrzehnten Krupp-Mitarbeiter die Rheinhauser Brücke besetzten. Er war bei Tötungsdelikten in dem Bezirk vor Ort, unterstützte seine Kollegen bei Einsätzen gegen Rocker und stattete (in den vergangenen Monaten) dem bekannten Problemhaus In den Peschen so manchen Besuch ab. Seine Berufserfahrung und Menschenkenntnis hat er sich quasi auf der Straße erarbeitet.

So umfassend und fundiert die Ausbildung heute ist, das Rüstzeug holen sich die Polizisten damals wie heute auf der Straße. Wie man einen Randalierer kampfunfähig macht, wie man einen Sturzbetrunkenen vor sich selbst schützt, wie man bei einem Unfall Beteiligte behandelt oder bei Ruhestörungen zwischen den Lärmenden und den von ihnen Genervten vermittelt - an jedem Tag ergeben sich für die Polizisten, die noch heute so mancher Schutzmann nennt, neue Situationen mit neuen Herausforderungen.

"Kein Einsatz ist letztlich wie der andere, und aus einer harmlosen Situation kann eine lebensgefährliche werden", hat Orscheschek vor einigen Jahren selbst erlebt. Ein Autofahrer, den er und sein Kollege kontrollieren wollten, raste in die dunkle neblige Nacht davon und wollte schließlich auf einem Acker zu Fuß weiter fliehen.

Er drohte damit, die ihn folgenden Beamten zu erschießen. Nach mehrmaligen Aufforderungen, stehen zu bleiben und sich zu ergeben, gab Orscheschek einen gezielten Schuss ab und verletzte den Mann am Bein. Das Recht war zwar auf seiner Seite, aber dieser Einsatz wirkt bei ihm bis heute nach.

Weil die Polizeibeamten im Wach- und Wechseldienst eigentlich ständig "die Rübe" hinhalten müssen, frustrierte es sie besonders, wenn sie "ihren" gefassten Täter nach kurzer Zeit schon wieder freilassen müssen oder später erfahren, dass er vor Gericht straffrei davon gekommen ist. "Aber unsere Aufgabe ist nicht, zu urteilen", sagt Orscheschek. Manchmal rät er seinen Kollegen, die vor Gericht als Zeugen aussagen müssen, nicht bis zur Urteilsverkündung zu warten, um nicht allzu gefrustet zu sein. Wenn dann auch noch ein Autofahrer, der bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung erwischt wurde, den Polizisten vorhält, sie würden ja immer nur die Kleinen fangen und die Großen laufen lassen, "dann ist das nicht gerade aufbauend."

Orscheschek hat gelernt, in solchen Situationen die Ruhe zu bewahren. Provozieren lassen, das dürfe man sich nie, auch nicht, wenn "wir an einem Einsatzort beschimpft, bespuckt und beleidigt werden". Immer mehr Bürger würden den Respekt vor den Ordnungshütern verlieren. Besonders diejenigen, die im Wach- und Wechseldienst arbeiten, seien zunehmend der Gefahr ausgesetzt, Opfer von Gewalt zu werden.

Wenn Wolfgang Orschesckek und seine Kollegen dennoch von ihrem Beruf schwärmen, dann weil sie eben oft auch Positives erleben, wertvolle Hilfe leisten können und darin bestärkt werden, dass sie mit ihrem Einsatz auf den Straßen das Leben für die meisten Menschen sicherer machen.

(RP)
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