Duisburg Wie Sinti und Roma systematisch vernichtet wurden

Duisburg · Aktuelles Thema der Vortragsreihe "Erinnerungskultur" war jetzt die Verfolgung von Sinti und Roma unter den Nationalsozialisten. Als Referentin hatte man mit der Historikerin Karola Fings vom NS-Dokumentationszentrum Köln eine ausgewiesene Expertin ins Landesarchiv eingeladen. Sie erläuterte, dass für ihre Forschungsarbeit die vor der Vernichtung "geretteten" Akten der rheinischen Polizeistellen herangezogen wurden, die unter anderem auch im NRW-Landesarchiv am Innenhafen aufbewahrt werden. Auszüge aus diesen Akten, (anonymisierte) Karteikarten und alte Fotos unterstützten visuell den gut einstündigen Vortrag von Karola Fings. Dabei wurde deutlich, dass die rassenpolitische Verfolgung der Sinti und Roma nicht Sache der Gestapo war, sondern dass der Kriminalpolizei diese "Aufgabe" zugewiesen war. Die Historikerin erläuterte, dass die Betrachtung der Verfolgung bewusst "aus Sicht der damaligen Machthaber" angelegt sei. Aus diesem Grund benutze man die damals gängige Bezeichnung "Zigeuner".

 Die Karteikarten als letzte physische Zeugnisse.

Die Karteikarten als letzte physische Zeugnisse.

Foto: Reichwein

Die stellvertretende Direktorin des Kölner NS-Dokumentationszentrums stellte dabei die Rolle der "Rassenhygienischen Forschungsstelle" (RHF), die von Robert Ritter geleitet wurde, in den Vordergrund. Dort wurden seit 1937 Roma und Sinti nach ihren Genealogien erfasst und ihre körperlichen Eigenschaften vermessen. Ritter entwickelte aufgrund von Blutuntersuchungen ein Kategoriesystem, bei dem zwischen "Fremdrassigen", "Zigeunern", "Zigeunermischlingen" und "deutschblütigen Nichtzigeunern" - dazu gehörten die "nach Zigeunerart umherziehenden Landfahrer" - unterschieden wurde. Aber auch die letzte Gruppe wurde als "asozialer Abschaum" wie die anderen Gruppierungen verfolgt, deportiert und in Konzentrationslager gebracht. Die akribisch ausgefüllten Karteikarten der erfassten "Zigeuner" - großformatig auf der Leinwand zu sehen - machten betroffen, waren sie doch die "letzten physischen Zeugnisse von Menschen, die später ermordet wurden".

Absurd waren oftmals die Verhaftungsgründe. So konnten Frauen wegen "Wahrsagerei" inhaftiert werden. Im Jahr 1943 kam es dann zu flächendeckenden Deportationen ganzer Familien in das Vernichtungslager Auschwitz (dort wurden allein 15.000 Menschen als "Zigeuner" umgebracht). Robert Ritter, Eva Justin sowie die anderen Mitarbeiter der RHF wurden wegen ihrer früheren Tätigkeit später nie juristisch belangt.

Weitere Termine der Vortragsreihe "Erinnerungskultur": 10. Mai: Ausgrenzung der Homosexuellen aus der "Volksgemeinschaft"; 31. Mai: Johanna Niederhellmann, eine sozialdemokratische Widerstandskämpferin und die Erinnerungskultur in Duisburg; 14. Juni: Erinnerungskultur der Mehrheitsgesellschaft und innerjüdische Perspektive. Die Vorträge beginnen jeweils um 18 Uhr. Um 17:30 Uhr besteht die Möglichkeit, im Rahmen einer halbstündigen Führung das Landesarchiv kennen zu lernen. Treffpunkt ist das Foyer des Landesarchivs. Die Teilnahme an den Vorträgen und den Führungen ist kostenlos.

(pol)
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