Duisburg Wie wir mit dem Tod umgehen

Duisburg · Bettina Engelhardt und Dietmar Bär brachten als Bochumer Gastspiel den Theater-Renner "Gift. Eine Ehegeschichte" von Lot Vekemans in das gut gefüllte Duisburger Theater. Auftakt der Schauspiel-Saison im Großen Saal.

Zum Auftakt der Schauspiel-Saison im Großen Saal war das Duisburger Theater besonders gut gefüllt. Das lag sicher zum einen daran, dass hier mit Dietmar Bär ein Fernseh-Star auf der Bühne stand. Zum anderen aber sicher auch daran, dass das Schauspielhaus Bochum hier als Gastspiel "Gift. Eine Ehegeschichte" von der vor 50 Jahren geborenen Lot Vekemans brachte. Das seit 2009 erfolgreiche Stück läuft seit 2012 auch an vielen deutschen Theatern, in der guten Übersetzung aus dem Niederländischen von Eva Pieper und Alexandra Schmiedebach.

Ein Friedhof. Ein Mann. Eine Frau. Vor zehn Jahren haben sie ihr Kind beerdigt und sich seitdem nicht mehr gesehen. Doch sie sind zutiefst verbunden durch den Schmerz, der sie nicht loslässt. Sie warten auf jemanden, der ihnen die anstehende Umbettung des Kindes erklärt, denn angeblich wurde im Boden Gift gefunden. Doch niemand kommt, nur ihre Erinnerungen. Alte Bilder und Vorwürfe werden wach. Und immer die gleichen Fragen: Warum? Wann wird es je ein Ende nehmen? Darf die Trauer überhaupt aufhören? Irgendwie schaffen sie es, miteinander zu reden. Es geht darum, wie wir mit dem Tod umgehen, und darum, wie wir ins Leben Geworfenen uns als "Angespülte" begegnen können, so dass das Leben in geteilten Räumen weitergehen kann.

Die Regisseurin Heike M. Götze ist bewährt darin, neue Stücke dem Publikum plausibel zu machen. Hier wählte sie eine fast distanzierte Darstellung, welche die Feinheiten der zum Teil wuchtigen Emotionen umso klarer hervortreten lässt. Gewagt ist ihr Kunstgriff, von einer bestimmten Stelle an fast den ganzen Text zu wiederholen - aber mit getauschten Rollen, so dass der gleiche Text nun ganz anders wirkt und die Geschlechter-Rollen hinterfragt werden. Später wird von der Bühne aus das Parkett eingenebelt, im Programmheft erklärt durch ein Zitat von Hermann Hesse: "Seltsam, im Nebel zu wandern! / Leben ist Einsamsein. / Kein Mensch kennt den andern, / Jeder ist allein."

Man kann sich eine etwas griffigere Inszenierung vorstellen, aber keine stärkeren Darsteller als Bettina Engelhardt und Dietmar Bär. Mit ihrer geradezu überlebensgroßen Präsenz tragen die beiden den Abend über 75 pausenlose Minuten, zeigen sie, wie nahe Komik und Traurigkeit beieinander liegen können.

Der Duisburger Applaus war warmherzig, kraftvoll und lang anhaltend.

(hod)
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