Duisburg Wo ist die Liebe? Wer bin ich?

Duisburg · Die Deutsche Oper am Rhein brachte in ihrem Duisburger Haus als Doppelopernabend "Il Pigmalione" von Gaetano Donizetti und "Ariane" von Bohuslav Martinu heraus. Am Ende war der Jubel groß.

 Die Doppeloper-Aufführung wurde mit großem Beifall belohnt.

Die Doppeloper-Aufführung wurde mit großem Beifall belohnt.

Foto: Hupfeld

Das sind zwei nicht so bekannte, aber attraktive und überwiegend heitere Einakter, die beide auf antiken Stoffen basieren und von Irrwegen der Liebe beziehungsweise der Suche nach selbst handeln. Sie dauern jeweils etwa eine Dreiviertelstunde und runden sich so mit Pause zum zweistündigen Opernabend. Das ist zum einen "Il Pigmalione", die erste der 48 Opern des späteren Belcanto-Meisters Gaetano Donizetti (1797-1848), angeblich komponiert in zwei Wochen. Pygmalion hasst die Frauen und widmet sich der Bildhauerei. Er schafft eine weibliche Statue aus Elfenbein, in die er sich verliebt. Auf sein Flehen hin erweckt die Liebesgöttin Aphrodite die Skulptur zum Leben und die beiden werden ein glückliches Paar. Das Werkchen entstand 1816 während Donizettis Studium bei Pater Mattei in Bologna. Seine Musik ist noch von Christoph Willibald Gluck und Wolfgang Amadeus Mozart geprägt, zugleich schon ganz persönlich. Zu Lebzeiten Donizettis wurde sein Erstling nicht aufgeführt, die Uraufführung war erst 1960 im Teatro Donizetti seiner Geburtsstadt Bergamo.

Sicherlich das stärkere Stück von beiden, das jetzt bei der Premiere auch heftiger bejubelt wurde, ist die klangmächtige "Ariane" von Bohuslav Martinu (1890-1959), die der tschechische Komponist 1958 als die vorletzte seiner 14 Opern in immerhin noch fünf Wochen schuf. Es geht darin um die kretische Königstochter Ariadne, ihren Halbbruder Minotaurus und den Athener Helden Theseus - ein in der Kunst vielfach variiertes Thema, das bei Martinu eine tiefenpsychologische Dimension gewinnt: Minotaurus ist Theseus' Schatten. Die Musik dazu basiert auf vielfältigen stilistischen Formen mit neoklassizistischen, neobarocken und impressionstischen Anklängen sowie Elementen aus Jazz und Folklore. Obwohl diese Oper erst vor sechs Jahrzehnten entstand, gibt es darin fast ebenso viele Ohrwürmer wie bei Donizetti. Auch dieses Werk wurde erst posthum uraufgeführt, 1961 in Gelsenkirchen.

Szenisch und musikalisch sind die beiden Stücke hier gut getroffen. Volker Böhm hat "Il Pigmalione" als zunehmende Wahrnehmungsstörung der Titelfigur inszeniert. Er erfand noch fünf Statisten-Rollen hinzu, nämlich weitere zum Leben erweckte Mythos-Statuen, darunter ein Minotaurus - wohl auch, damit der Tenor Ovidiu Purcel als Pygmalion noch mehr Anspiel-Partner hat als "nur" die gleichfalls glänzende Sopranistin Lavinia Dames als Galathea. Bei Kinga Szilágyi ist "Ariane" eine - wie es die Regisseurin selbst im Vorfeld formulierte - "geistige Verdauungssituation" der Titelfigur. Die Inszenierung verleiht der leicht surrealistischen Handlung leuchtendes Bühnen-Leben. Zum Beispiel ist der Alte Mann, der die Athener Jünglinge in Knossos begrüßt, hier wahrscheinlich der verkappte Minotaurus - beide werden von Lukasz Konieczny (sonor) gesungen, und der Alte Mann verwandelt sich hernach in jenen Maulbeerbaum, den Theseus (als Symbol des Irrationalen) fällen will, wovon ihn Ariadne abhält. Zu vermelden ist vor allem, wie sensationell Heidi Elisabeth Meier die - ursprünglich für Maria Callas konzipierte - Koloratursopranpartie der Ariadne singt (und spielt und stellenweise sogar tanzt). Ihre große Abschlussarie ist zum Niederknien. Als Dirigent inspiriert Jesse Wong die Sänger und die Duisburger Philharmoniker in "Ariane" noch mehr als Ville Enckelmann in "Il Pigmalione". Das muss man erlebt haben!

(hod)
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