Duisburg/Conceptión "Zerstörungen schlimmer als in Haiti"

Ein Mitarbeiter der Kindernothilfe ist im chilenischen Katastrophengebiet. Am Nachmittag erreichten wir ihn am Telefon. Er berichtete uns von ausufernder Gewalt und der Not der vielen Kinder.

Starkes Erdbeben in Chile
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"Die Zerstörungen in Chile sind weit aus größer als in Haiti", sagte uns Jürgen Schübelin von der Kindernothilfe am Telefon. Er ist für die Duisburger Hilfsorganisation seit fünf Tagen im chilenischen Katastrophengebiet. Am Donnerstagnachmittag konnten wir am Telefon kurz mit ihm sprechen. "In weiten Teilen des Landes ist alles zerstört, es wird mindestens zehn Jahre dauern, bis wieder alles halbwegs aufgebaut sein wird.” Schübelin reiste direkt aus Haiti nach Chile. Deswegen kann er die beiden Katastrophengebiete gut miteinander vergleichen. In Chile sind Schätzungen zufolge bei dem starken Erdbeben mehr als 1000 Menschen gestorben. Die Kindernothilfe ist mit ihrer chilenischen Partnerorganisation ANIDE und einem sechsköpfigen Team von Medizinern der "humedica" aus Kaufbeuren in Chile.

Nachbeben hautnah miterlebt

In Conceptión, der zweitgrößten Stadt des Landes, herrsche absolutes Chaos. Gewalt, Plünderungen und Raubüberfälle seien allgegenwärtig. Dort liegen neun der insgesamt 24 Kindernothilfe-Projekte für rund 1.500 Kinder aus armen Familien. Die Hilfsprojekte der Kindernothilfe seien fast alle zerstört. "Wir stehen vor den Trümmern von jahrzehntelanger Arbeit. Die Kindergärten und Schulen, die wir gebaut haben, sind nur noch Ruinen", sagt Schübelin.

Besonders betroffen seien die vielen Kinder. Die chilenische Regierung habe noch nichts unternommen, um den Kleinen zu helfen. "Man muss bei solchen Katastrophen die Hilfe für Kinder konsequent in den Mittelpunkt stellen, die Kinder müssen besser geschützt werden”, fordert Schübelin. Er erlebte auch die beiden schweren Nachbeben am Mittwoch hautnah mit. "Die Menschen rannten um ihr Leben. Es spielten sich unbeschreiblich schreckliche Szenen ab.”

Kriegsähnliche Zustände

Aber nicht nur die Erdbeben hätten die Menschen traumatisiert, auch die eskalierende Gewalt versetze die Einwohner zunehmend in Angst und Schrecken. Die Regierung hat für die betroffenen Gebiete eine Ausgangssperre verhängt. Die Menschen dürfen ihre Häuser tagsüber nur für sechs Stunden verlassen. Das Militär versuche die Lage mit allen Mitteln in den Griff zu bekommen - auch mit Gewalt.

Zwischen den vielen Armenviertel, die besonders von der Katstrophe betroffen sind, herrsche mittlerweile eine Art kriegsähnlicher Zustand. "Die einzelnen Viertel riegeln sich mit Straßenbarrikaden von einander ab. Wer nicht dort wohnt, kommt dort auch nicht hinein. Die Einwohner haben Angst vor Plünderungen. Mit Waffen werden die Viertel vor den Übergriffen verteidigt”, so der Kindernothilfemitarbeiter. Es sei entsetzlich. Noch drei Tage wird Jürgen Schübelin in Chile bleiben, bevor er sich nach einem kurzen Aufenthalt in Duisburg wieder auf den Weg nach Haiti macht.

Die Kindernothilfe arbeitet seit 1969 in Chile und fördert dort zusammen mit ihren Partnern über 3.000 Kinder. Sie unterstützt Tagesstätten, Förder- und Rehabilitationsprogramme für Kinder mit Behinderungen sowie gemeinwesenorientierte Arbeit mit Familien in Armenvierteln.

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