Kunst in Duisburg Zwischen Ai Weiwei und Wilhelm Lehmbruck

Duisburg · Spätestens mit der Kulturhauptstadt 2010 haben sich die Kunstmuseem im Ruhrgebiet einen Namen gemacht. Als "Ruhr Kunst Museen" bilden sie ein lebhaftes Netzwerk. Die Häuser zeigen auch in Duisburg aktuelle Stars der Kunstszene und Klassiker aus den Heimatstädten.

Zwischen Ai Weiwei und Wilhelm Lehmbruck - Kunst in Duisburg
6 Bilder

Zwischen Ai Weiwei und Wilhelm Lehmbruck - Kunst in Duisburg

6 Bilder

Das dürfte man sich wohl in keinem anderen Kunstmuseum erlauben: "Wir haben die hier einfach mal nach Farben sortiert." Dirk Krämer steht vor einer kleinen Vitrine mit bunten Schälchen aus japanischem Porzellan. Ihre unterschiedlichen Pastelltöne entscheiden über ihren Platz in der Reihe. An der Wand neben der Vitrine: nichts. Kein Schild informiert über das Entstehungsjahr oder die Herkunft. Kaum ein Objekt im Museum DKM in Duisburg hat solche Informationen neben sich hängen - auch nicht die Namen der Künstler.

"Uns ist nicht so wichtig, wie der Künstler heißt, nicht der Marktwert ist interessant, sondern: Berührt uns das Werk, oder berührt es uns nicht?" So erklärt Krämer sein Auswahlprinzip. Er und Klaus Maas sind Stifter des privaten Museums DKM, dessen Name sich aus den Initialen der beiden Kunstsammler zusammensetzt. Es ist eines der 20 "Ruhr Kunst Museen", die sich auf 15 Städte verteilen.
Duisburg hat 3 davon - so viele wie keine andere Stadt.

Das Museum DKM liegt in einer schmalen Seitenstraße zwischen unscheinbaren Mehrfamilienhäusern. Im Foyer wurden früher Elektroartikel verkauft. Die Stifter wollen dem Besucher keine Hintergrundinformationen über die Werke aufdrängen. Prominente stehen neben gänzlich unbekannten. Es gibt keine Rundgangzeichen. "Die Leute sollen sich einfach treiben lassen", sagt Krämer.

So wie Krämer und Maas Kunst zeigen, so sammeln sie auch: Die glatt polierten Gelehrtensteine aus China stehen im Museum DKM, weil sich die Chinesen damit die Natur ins Wohnzimmer holen. "Und das fanden wir einfach faszinierend", sagt Krämer. Ein paar Räume weiter stehen die "Coloured Vases", die bunten Vasen des chinesischen Dissidenten und Künstlers Ai Weiwei. Es ist eine der Ausnahmen, bei denen die Stifter dann doch mal den Namen an die Wand schreiben.

In einem schwarz gestrichenen Raum ist der 90 Zentimeter hohe Kopf eines Buddhas in einigen Metern Höhe - man kann es nicht anders sagen - aufgebahrt. Ein Scheinwerfer leuchtet ihn aus, sonst ist der Raum stockfinster. Der Kopf ist der größte aus der nördlichen Qi-Dynastie (550-577 nach Christus), der außerhalb Chinas existiert. "Das ist unser ganzer Stolz", sagt Krämer. "Wenn wir wüssten, aus welchem Tempel er stammt, würden wir ihn natürlich zurückgeben als ehrenhafte Sammler", sagt er ernst und fügt lächelnd hinzu: "Deshalb forschen wir da auch nicht weiter nach."

Automatische Trommeln, sprechende Zimmer, rotierende Plastiktiere:
Ein Kontrastprogramm aus moderner Kunst zeigt das Lehmbruck Museum am Immanuel-Kant-Park. "Es kann im Grunde alles eine Skulptur sein", erklärt die Museumsdirektorin Söke Dinkla. Die Sammlung des Hauses besteht aus fast allen Werken des Bildhauers Wilhelm Lehmbruck (1881-1919) sowie zahlreichen Skulpturen von internationalen Künstlern der Moderne. Derzeit sind in der Ausstellung "Moving Sculptures" ausschließlich Werke aus der Sammlung zu sehen, die sich bewegen.

"Für Inbetriebnahme sprechen Sie bitte unser Aufsichtspersonal an" steht auf einem Schildchen neben dem "Märchenrelief" von Jean Tinguely aus dem Jahr 1978. Kunst als Maschine. "Er stellt die Maschine natürlich nicht unkritisch dar. Es ist ein kritischer Kommentar", sagt Dinkla. Tinguely war nicht nur kritisch, sondern oft auch ironisch.

Unter Knattern und Rumpeln legt das Werk los, als Dinkla es anwirft. Der Beobachter braucht eine Weile, um alle Details des mehrere Meter hohen und langen Kunst-Geräts zu entdecken. Ein Gartenzwerg dreht sich hektisch auf einer rostigen Stange, ein Frosch fährt vor und zurück, eine große, gelbe Spielzeugente wackelt hin und her, hinter ihr streift eine Feder immer wieder über ihren wackelnden Po. Ein Besucher filmt das Spektakel mit seiner Handykamera und sagt:
"Die Feder, die der Plastikente den Arsch abwischt, die ist toll."

"Was machst du hier? Wie kamst du hierher? Würdest du bitte wegsehen?" Solche Fragen müssen sich Besucher von Lynn Hershman Leesons "Room of One's Own" (Jemandes Raum) anhören. Das Werk ist eine große, schwarze Box mit Sehschlitz. Schaut man hinein, spricht es los. Zu sehen ist das winzige Modell eines Zimmers. Wer weit nach links schaut, sieht eine Live-Aufnahme seines Auges. Das Werk sei im Jahr 1993 entstanden, erklärt Dinkla. "Damals gab es noch diese große Euphorie über Interaktion mit der Technik."

Wenige Kilometer vom Spektakel entfernt, am Duisburger Innenhafen, steht Walter Smerling im Foyer des Museums Küppersmühle für Moderne Kunst. Graue Slipper, grauer Anzug, graue Brille, graues Haar. Weißes Einstecktuch und raumfüllende Präsenz. "Wir sind hier auf einem fruchtbaren Acker", sagt er zu Beginn seiner Führung.

Der Duisburger Innenhafen, in dem sich das Museum befindet, sei in den 90er Jahren grau und dunkel gewesen. "Aus den Häusern wuchsen Bäume". Der Architekt Norman Foster nahm sich der Sache an. Er gestaltete die Seite mit den alten Speichergebäuden neu, auf der auch das Museum steht. Heute ist auf 2500 Quadratmetern die Sammlung Ströher ausgestellt, hauptsächlich deutsche Nachkriegskunst von Georg Baselitz über Anselm Kiefer bis Gerhard Richter.

Im Erdgeschoss wechseln die Ausstellungen. Etwa drei bis vier seien es pro Jahr, sagt Smerling. Bis Oktober stellt dort Eberhard Havekost aus. "Im ersten Moment wirken die Bilder alle leise und zurückhaltend, aber je länger man sie betrachtet, desto intensiver wirken sie", beschreibt Smerling seinen Eindruck von Havekost.

Der Künstler malt mit Pinsel und Ölfarbe auf Leinwand Motive nach, die er auf Fotos sieht - und verändert sie leicht. So entrücke er sie der herkömmlichen Sicht, sagt Smerling. Ein Bild zeigt den nackten Oberschenkel einer sehr schlanken Frau am Strand. Das Vorbild ist ein Werbeplakat für einen Bikini von H&M. Während das Original Urlaub und Schönheit vermitteln will, zeigt Havekosts Version das Bein als eher fleckiges Dreieck ohne ästhetische, weibliche Rundungen.

Vor den drei Bildern mit dem Titel "Grau" von Gerhard Richter hört Smerling vor allem von Schülergruppen immer wieder: "Das kann ich auch." Auf den ersten Blick sind die drei Bilder einheitlich graue Quadrate. Tatsächlich geht es laut Smerling aber um die Oberfläche, die bei jedem der Bilder eine unterschiedliche Struktur hat.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort