Rees 48 Jahre: Der Rekord des Lothar Bolk

Rees · Der Reeser hat als Lehrling bei der Bäckerei Terhorst angefangen und geht jetzt mit 63 Jahren dort in den Ruhestand.

Lothar Bolk (links) wechselt nach 48 Jahren von der Backstube in die Rente. Seine Frau Christa (2. von links) arbeitet auch schon seit 32 Jahren bei der Bäckerei Terhorst. Helmut und Michaela Terhorst feilen derzeit an einer Abschiedsfeier für den Bäckergesellen.

Lothar Bolk (links) wechselt nach 48 Jahren von der Backstube in die Rente. Seine Frau Christa (2. von links) arbeitet auch schon seit 32 Jahren bei der Bäckerei Terhorst. Helmut und Michaela Terhorst feilen derzeit an einer Abschiedsfeier für den Bäckergesellen.

Foto: Michael Scholten

Rechnet man die dreijährige Lehrzeit hinzu, dann hat Lothar Bolk stolze 48 Jahre durchgehend bei der Bäckerei Terhorst gearbeitet. Zum 1. August geht er in den Ruhestand und muss nicht länger täglich um 3 Uhr aufstehen. "Ic/h weiß noch gar nicht, ob ich es schaffe, morgens länger im Bett zu bleiben", scherzt der 63-Jährige. Bäcker- und Konditormeister Helmut Terhorst wird den Bäckergesellen in der Backstube nicht nur als Mitarbeiter vermissen, sondern auch als wichtigen Wegbegleiter. Die Familien Bolk und Terhorst sind seit fast 50 Jahren befreundet. Auch Lothar Bolks Frau Christa arbeitet seit 32 Jahren in der Traditionsbäckerei im Eckhaus am Markt 27. "Die heimliche Chefin", wie Helmut Terhorst seine Verkäuferin nennt, bleibt der Bäckerei vorerst erhalten.

Es war reiner Zufall, dass Lothar Bolk bei Helmut Terhorsts Vater Wilhelm in die Lehre ging. Als Schüler besuchte er oft Verwandte, die über der Bäckerei wohnten, und spielte gern mit dem Spitzhund der Familie Terhorst. "Irgendwann fragten seine Eltern meinen Vater, ob er den Sohn ausbilden könnte." Laut Gesetz hätte der damals 15-Jährige erst um 6 Uhr morgens anfangen dürfen, doch Bäckermeister Wilhelm Terhorst erließ nach sechs Monaten Lehrzeit seine eigenen Regeln: "Er setzte durch, dass ich schon um 4 Uhr in der Backstube sein musste, und Feierabend war bei ihm erst, wenn alles fertig war", sagt Lothar Bolk. Das strenge Regiment, gepaart mit der familiären Atmosphäre, färbte sich auf die Arbeitshaltung ab. "Als unser Lothar mal das 200 Grad heiße Fett für Berliner auf die Füße fiel, bot er an, drei Wochen Urlaub zu nehmen und ins Allgäu zu fahren, um die Brandwunden zu kurieren, anstatt sich krank schreiben zu lassen", sagt Helmut Terhorst.

Zudem war Lothar Bolk die Pünktlichkeit in Person: Ein einziges Mal in 48 Jahren verschlief er. Grund dafür war ein Stromausfall im Reeser Stadtgebiet. Der programmierte Radiowecker blieb stumm und Lothar Bolk musste zum ersten und letzten Mal fünf Mark in die Verspätungskasse zahlen, die sonst vor allem vom geselligen Chef, der in vielen Reeser Vereinen aktiv ist, gefüttert wurde: "Zum Jahresende bekam derjenige, der in den zwölf Monaten zuvor am seltensten verspätet kam, das Strafgeld der anderen ausgezahlt", erklärt Helmut Terhorst. "Das Geld ging eigentlich immer an Lothar." Das Bäckerhandwerk hat sich im Laufe von Lothar Bolks Berufsleben deutlich gewandelt: Früher kamen morgens Weißbrot, Graubrot, Schwarzbrot, Rosinenbrot und 5000 Brötchen in den Ofen, die dann über den ganzen Tag verkauft wurden. Heute hat die Bäckerei 40 Brotsorten im Angebot und backt von morgens bis abends immer frische Brötchen, damit sie ofenfrisch in die Tüte kommen.

Ganz aufgeben will Lothar Bolk seine Arbeit bei Terhorst nicht: "Wenn der Chef auf Kegeltour geht, werde ich einspringen, auch sonst bin ich gern zur Stelle, wenn ich gebraucht werde." Ab August will er aber mehr Zeit mit seinem kleinen Enkel Mika verbringen, auch im Garten des Sohnes und der Schwiegertochter will er sich nützlich machen. Und mit seiner "Sandkastenliebe" Christa soll es in deutsche Urlaubsorte und im nächsten Jahr auf eine Kreuzfahrt von Dubai über Indien nach Mauritius gehen. Die Karibik hat das Paar in den letzten zehn Jahren schon ausgiebig per Kreuzfahrtschiff bereist. Aber die Brötchen sind natürlich nirgendwo so lecker wie am Niederrhein.

(RP)
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