Rees Als der Strom nach Haffen und Mehr kam

Rees · Heute genau vor 100 Jahren fiel in Haffen der Startschuss für die Stromversorgung in der Umgebung. Der Turm erinnert daran.

 Friedrich Michelbrink vor dem Trafohäuschen in Haffen.

Friedrich Michelbrink vor dem Trafohäuschen in Haffen.

Foto: Stade, Klaus-Dieter (kds)

Am 14. Mai 1914 wurde der Trafoturm "Anlage Haffen-Mehr" in Betrieb genommen. Ein Schritt, der durchaus mit Widerständen verbunden war. Denn längst nicht alle waren davon begeistert, dass die Elektrizität kam, wie Friedrich Michelbrink berichtet. "Einige hatten Angst vor den Gesundheitsgefahren, andere waren skeptisch, weil dafür Land verkauft werden musste."

Michelbrink ist Vorsitzender des Vereins "Mehr Spannung", der 2008 den Trafoturm für den symbolischen Beitrag von einem Euro vom RWE gekauft hat. Den 100. Geburtstag des Häuschens will der Verein mit einer kleinen Feier begehen. Gleichzeitig war das für Michelbrink der Anlass, sich intensiv mit der Geschichte der Elektrifizierung von Haffen-Mehr zu beschäftigen.

Er hat dazu einen Text verfasst, in dem er vor allem auf die enge Verbindung zwischen der Futtermühle in Haffen und dem Stromanschluss eingeht: "Seit mehr als 128 Jahren gibt es das Familienunternehmen Becker und Thesing, besser bekannt als ForFarmers Thesing, am heutigen Standort Haffen. Die Familien betrieben gemeinsam seit 1886 eine Getreidewindmühle, die das heimische Getreide mit Windkraft in verschiedene Mehlgüteklassen vermahlte. Anders als bei einer durch Wasserkraft angetriebenen Mühle ist der Wind nicht immer ein verlässlicher Partner. Er ist leider nicht grundlastfähig, das heißt, es konnte nur gemahlen werden, wenn der Wind wehte.

28 Jahre nach der Inbetriebnahme der Windmühle gab es in Haffen im Jahr 1914 für Becker-Thesing die Möglichkeit, eine neue Energiequelle zu nutzen - die elektrische Energie. Somit konnte sich die Mühle Becker-Thesing als führender Produzent von Mischfutter für landwirtschaftliche Nutztiere unabhängig machen von den Launen des Gottes Aeolus (Gott des Windes). Ab 1910 begann das RWE mit der Elektrifizierung der niederrheinischen Kreise und baute zu deren Versorgung das in Endstufe 15 Megawatt leistende Dampfkraftwerk Niederrhein in Wesel-Obrighoven (befeuert durch Steinkohle). Am 14. Mai 1914, ein Donnerstag - nach damaliger Wetteraufzeichnung "zu kalt für den Monat Mai" - wurde der Transformator-Turm "Anlage Haffen-Mehr" in Betrieb genommen. Damit konnte das Familienunternehmen Becker-Thesing die Primärenergie auf Strom umstellen.

So gelang vor 100 Jahren Dank des Transformatoren-Turms durch Umwandlung der elektrischen Energie von Mittel- in Niederspannung für das Familienunternehmen Becker-Thesing der Weg ins Moderne."

1946 ging übrigens die Geschichte des Dampfkraftwerks in Wesel-Obrighoven zu Ende. Die Anlage hatte zwar den Krieg überstanden. Aber 1946 wurde das Werk durch eine Verpuffung im Kohlebunker komplett zerstört. Heute befindet sich an der Stelle die Umspannanlage, über die später die große "Stromautobahn" führen soll.

(zel)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort