Rp-Serie Prominente Zu Besuch Als Drafi den Klostergarten rockte

Emmerich · "Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht" - das war wohl einer der bekanntesten Titel des Sängers Drafi Deutscher. Der wurde 1965 veröffentlicht, das Lied kletterte bis auf den ersten Platz der deutschen Verkaufscharts. Ein Jahr später, am 12. Mai 1966, gab der bekannte Sänger ein Konzert im Klostergarten in Emmerich.

 Drafi Deutscher Mitte der 60er Jahre

Drafi Deutscher Mitte der 60er Jahre

Foto: dpa

Einigermaßen beruhigt war der Leiter der Karstadt-Filiale in Emmerich, als er am Mittwoch, 11. Mai, einen Tag vor Drafi Deutschers Auftritt in der Rheinstadt, die Zeitung las: Gemeinsam mit der Sängerin Manuela - mit anderen Stars hatten sie das Hit-Festival 1966 produziert - war er in Wesel unterwegs. Sowohl die Autogrammstunde im Kaufhaus "Hansa" als auch der Auftritt in der Niederrheinhalle waren ruhig abgelaufen.

Was sich dann aber in Emmerich abspielte, hatte sich niemand träumen lassen: Um 15 Uhr am Donnerstag, 12. Mai 1966, platzte Karstadt fast aus allen Nähten. Fünf Mann am Treppenaufgang schafften es nicht, den Strom an Autogrammjägern zu hemmen. Vorwiegend junge Leute waren da, aber auch so mancher ältere Fan. "Verwunderten Blickes schauten sogar die Stars auf, als ein 60-jähriges Mütterchen am Stock zu Drafi humpelte und um ein Autogramm bat", stand in der Zeitung. "Was in der Großstadt schon nicht mehr zog, schien in Emmerich immer noch ein Hit zu sein." Fazit der Autogrammstunde: viele, viele blaue Flecken und viele unleserliche Unterschriften "von zum Teil recht blasierten und arroganten Stars".

Alarmiert durch dieses Ereignis rückte dann am Abend des Konzertes im Klostergarten Kommissar Keuchel mit sieben standhaften Ordnungshütern an, um die vermeintlich gefährdeten Möbel im Klostergarten vor allzu großer Begeisterungswut zu retten. Doch kurz vor Beginn des Konzertes zogen die Polizisten wieder ab, denn was viele der Jugendlichen erhofft und die Beamten befürchtet hatten, trat nicht ein. Die Stühle blieben ganz und die Teenager und Twens verhielten sich wie gut erzogene Kinder. "Die schöne Zeit des Rock'n'Roll scheint vorbei zu sein, wo bei Veranstaltungen die Stuhlbeine und Petticoats flogen und die Besucher mehr lärmten als die Bands", sinnierte der Zeitungsschreiber.

Allerdings habe man an diesem Abend gegen den Lärm der Band auch nicht ankommen können: "Einige mit 100 Watt verstärkte Gitarren brachten zwar die Dielen des Saals zum Vibrieren, aber trotz Drafi Deutschers Beschwörungen vom brechenden Stein und Eisen blieben die Wände stehen. Da konnten die ,Magics' auf ihren Instrumenten hämmern, wie sie wollten. Es war kein Misserfolg - der Saal war trotz der Eintrittspreise von drei bis sieben Mark gefüllt - aber ein Erfolg war das auch nicht."

Der Mann mit einem Hang zu Skandalen erwies sich immer wieder als Stehaufmännchen. Nach vielen Tops und Flops in seiner über 40-jährigen Schlagerkarriere war der Sänger, Produzent, Komponist und Texter von über 260 Songs bis zum Schluss voll im Geschäft. Noch im Frühjahr 2006 war er mit der "Schlagerstarparade" auf Tour, als ihm dann aber der Kreislauf zu schaffen machte. Deutscher plante noch ein neues Album und schrieb an seinen Erinnerungen.

Am 9. Juni 2006 starb er 60-jährig in der Universitätsklinik in Frankfurt am Main. Seine letzte Ruhestätte in Berlin ziert ein Grabstein in Form eines Hutes.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort