Emmerich Auftakt im "Fungarden"-Prozess

Emmerich · Der Betreiber der Bordelle "Fungarden" und "Villa Auberge" und seine Lebensgefährtin müssen sich jetzt vor Gericht verantworten. Die Vorwürfe: Menschenhandel, Steuerhinterziehung, Einschleusung und Urkundenfälschung.

"Fungarden" ist der Name des Bordells an der Tackenweide, zu deutsch also "Spaßgarten". Wer gestern in der Klever Schwanenburg dem Prozessauftakt gegen zwei der mutmaßlichen Betreiber des Etablissements beiwohnte, dürfte die Bezeichnung als Hohn empfunden haben. Hunderte Frauen sollen dort zur Prostitution gezwungen worden sein.

Esed D. (53) und Olga G. (40) müssen sich unter anderem wegen Menschenhandels, Steuerhinterziehung, Einschleusung und Urkundenfälschung verantworten. Sie waren nach Meinung der Staatsanwaltschaft die führenden Köpfe einer hochtourig und gut geölt laufenden Ausbeutungsmaschinerie.

Während der rund einstündigen Verlesung der Anklageschrift zeichneten die Staatsanwälte Sven Timmer und Daniel Klocke ein düsteres Bild des Gewerbes. Rund 1000 Frauen, einige davon mit falschen Papieren, zumeist aus Osteuropa, sollen von 2005 bis 2011 nach Emmerich geschafft worden sein.

Am Rhein hätten sie im "Fun Garden" und in der "Villa Auberge" nahezu rund um die Uhr anschaffen müssen, zunächst – wie in diesem Geschäft üblich – um imaginäre Schulden für den Transport nach Deutschland abzuarbeiten.

Die Ankläger schilderten, dass den Frauen bei ihrer Arbeit Ausweise und Mobiltelefone abgenommen worden seien und dass ihnen verwehrt worden sei, das Bordell zu verlassen. Das Wort Sex-Sklavinnen drängte sich auf, auch wenn die Staatsanwaltschaft es nicht in den Mund nahm.

In den Bordellen wurde im Halb-Stunden-Takt abgerechnet, für die 30 Minuten zahlten die Freier jeweils 50 Euro. Der Eintritt kostete ebenso viel. Wer nach dem Besuch einen Fragebogen zu den Qualitäten der Damen und des Lokals ausfüllte, bekam fünf Euro Rabatt, so die Staatsanwaltschaft.

Olga G. habe routiniert die bürokratischen Formalitäten erledigt und die Frauen beim Gewerbeamt in Emmerich wahlweise als Hostess, Messehostess, Masseurin oder Go Go-Tänzerin angemeldet. Im Bordell informierten Ausgänge die Gäste darüber, dass die Damen als selbstständige Unternehmerinnen tätig seien.

Alles Lüge, so die Staatsanwälte. Sie führten in der Anklageschrift aus, dass die Frauen die Hälfte ihrer Verdienste an die Betreiber abführen mussten – zuzüglich weiterer Gebühren, zum Beispiel für Kost und Logis, aber auch für Kondome.

130 einzelne Anklagepunkte umfasst die Liste der Vergehen, die die Ermittler aufgedeckt haben wollen. Im Zentrum stehen Verstöße gegen Steuer- und Sozialversicherungsgesetze. Sollten sich die genannten Summen der nicht gezahlten Beiträge (1,7 Millionen Euro) und Steuern (5,8 Millionen Euro) bestätigen, zeigten sie auf erschreckende Weise die Dimensionen des Geschäfts mit der käuflichen Liebe im "Fungarden".

Die beiden Angeklagten nahmen die Ausführungen der Staatsanwaltschaft mit demonstrativer Gelassenheit zur Kenntnis. Olga G., lange blonde Haare, elegante Erscheinung, lächelte häufig. Esed D. bot einem Zuschauer in einer Verhandlungspause mit einer scherzhaften Geste an, die Plätze zu tauschen.

Die fünf Strafverteidiger des Duos gingen von Anfang an auf Konfrontationskurs. Joachim Müller, einer der beiden Anwälte der Frau, versuchte , die Vorlesung der Anklage zu verhindern. Richter Christian Henckel ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und wickelte das Störfeuer routiniert ab – inklusive des unvermeidlichen Befangenheitsantrags. So konnte am Ende des ersten Verhandlungstages dann noch in Erfahrung gebracht werden, dass die beiden Angeklagten es vorziehen zu schweigen. Somit wird der Prozess am Freitag mit der Vernehmung der ersten Zeugen fortgesetzt.

(RP)
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