Emmerich Beuys und der Pinsel im Karton

Emmerich · Bereits zum 9. Mal räumt Schloss Moyland um: "Kunst.Bewegt" befasst sich mit Beuys frühen Zeichnungen voller kosmischer Strahlen.

Man muss schon ganz nah herangehen an die Bilder, will man die feinnervigen Bleistiftlinien, die Schraffuren und Linienknäuel auf diesen frühen Blättern in der Moyländer Beuys-Etage überhaupt erkennen. Für die neunte Version von "Kunst.Bewegt", die stets neue Einblicke in die Sammlung von Museum Schloss Moyland gewährt, hat Kuratorin Dr. Barbara Strieder ganz frühe Zeichnungen von Joseph Beuys aus den Jahren zwischen Ende 1940er und Mitte 1950er aus dem Fundus der Sammlung geholt. Thematisch geht's um Landschaften, denn auch hier sollten die Inhalte in Schloss und Ausstellungshalle, die sich mit Landschaft im 19. Jahrhundert befassen, ein rundes Ganzes ergeben.

Das sind aber keine Landschaften im herkömmlichen Sinn, schränkt Strieder ein: Beuys habe nicht ein Abbild des Gesehenen geschaffen, sondern auch die Verbindungen zwischen Landschaft, Mensch, Natur und Kosmos und die zwischen diesen ausgetauschten Energien dargestellt. Strieder weist hier auf die Linien und Linienbündel, die Himmel, Sonne, Mond und Sterne, mit den Schraffuren der Erde verbinden. "Beuys versuchte hier, das nicht Sichtbare, das Geistige zu zeigen", sagt die Kunsthistorikerin. Und schaue man genau hin, finde man in den Erdhöhlen eines Blattes kleine Embryos, die dort verborgen sind, sagt sie und weist auf die kleinen gekauerten Menschen, die sich in der Erde, in der Natur geborgen fühlen. "Die Natur spricht durch den Menschen zum Mensch, weil der Mensch auch Teil der Natur ist", sagt Beuys in einem seiner verklausulierten Sätze über diese Verbindung. Es gehe ihm dabei nicht um das Abbild von Landschaft, sondern auch um die Wirkung der geistigen Energien, die auf der Erde fließen. Das erschließt sich ohne Führung kaum aus den Blättern, die den Besucher oftmals ratlos zurücklassen: Sie sperren sich gegen eine einfache Deutung.

Selbst der Hirsch im nächsten Raum, den Beuys im weichen Bleistiftstrich genial wie hauchzart auf ein Papier gesetzt hat, entzieht sich der schlichten Interpretation. Strieder sieht in dem Geweih des Hirsches, das jedes Jahr aufs neue wächst, auch den Kreislauf der Natur symbolisiert. Verbunden ist der Hirsch mit Sonne und Mond, die über seinen Rücken gezeichnet sind. Auch sie haben Einfluss auf die Lebewesen auf der Erde, sagt das Bild.

Doch selbst ohne Interpretation zeigt die Zeichnung, wie zart der Strich des Künstlers ist. Zart, kaum noch wahrnehmbar, aber unbeirrbar zieht diese Linie die Kontur des Hirsches auf die Unterlage. Strieder hat auch einen frühen Holzschnitt herausgesucht - dazu den Druckstock in eine Vitrine gelegt, der die hart ins Holz geschnittenen Linien eines Gletschers zeigt.

Griffiger sind da die Beuys-Objekte auf der anderen Seite des Schlosses: Schön, dass man die 3-Tonnen-Edition noch eine Zeit sehen kann und dass Dr. Alexander Grönert den Objektkasten "Wahrnehmen I, erkennen II" zeigt: Ein Quast auf Braun bemalten Papier mit schwarzem Stern in der Mitte, darüber wie eine Wünschelrute ein kleines Ästchen. Der Eck-Raum dokumentiert die Aktionen auf der Dokumenta 5 und stellt das Motiv der Rose in die Mitte.

(RP)
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