Nach dem Unglück in Isselburg Cold Water Challenge als "Flucht vor der Langeweile des Alltags"

Isselburg · "Cold Water Challenge" heißt ein Sommertrend im Internet. Ein 34-Jähriger wurde am Dienstag in Isselburg beim Dreh eines Videos zu diesem Trend tödlich verletzt. Er wurde von einem Bagger erschlagen, als dieser Wasser über Mitglieder eines Kegelvereins gießen sollte.

Isselburg: Familienvater stirbt bei "Cold Water Challenge"
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2014: Familienvater stirbt bei "Cold Water Challenge"

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Der skurrile Wettkampf "Cold Water Challenge" funktioniert wie eine Art Kettenbrief und hat bisher eher weniger gefährliche Aktionen hervorgerufen. Vereine oder Gruppen werden dabei von Gleichgesinnten herausgefordert. Es bleiben 48 Stunden Zeit für eine Aktion rund um das Thema Wasser. Per Video wird alles festgehalten, später kommt der Clip ins Netz. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa erklärt der Hamburger Wissenschaftler Ulrich Reinhardt von der Stiftung für Zukunftsfragen, was hinter den Wettbewerben steckt.

Allein auf dem Videokanal Youtube finden sich unter dem Stichwort "Cold Water Challenge" knapp 240.000 Filme. Warum machen da so viele mit?

Reinhardt: Das Hauptmotiv ist sicherlich der Spaß, auch wenn es noch weitere, individuelle Gründe geben mag. Ein Teil der Deutschen ist auf der Flucht vor der Langeweile des Alltags und sucht den Kick. Bei anderen steht die Neugierde, Probier- und Experimentierfreude im Vordergrund und für einige ist es schlichtweg ein schönes Gefühl, Teil einer Bewegung oder Gruppe zu sein.

Die Bereitschaft, in der Freizeit Extreme zu leben, ist in den vergangenen Jahren Wissenschaftlern zufolge immer größer geworden. In diesem Fall kommt noch eine mediale Inszenierung hinzu.

Reinhardt: Das ist richtig. Gerade bei der jungen Generation ist ein zunehmender Wunsch nach Selbstdarstellung zu beobachten. Immer mehr Menschen veröffentlichen Fotos und Filme von ihren sportlichen Aktivitäten in sozialen Netzwerken und die persönliche Bestätigung durch "gefällt mir"-Angaben hat dabei eine sehr große Bedeutung.
Sicher führt dies auch manchmal zu einer Spirale, besonders beeindruckende, manchmal halsbrecherische Aktionen auszuprobieren und vorzuführen.

An den Wasser-Wettbewerben beteiligen sich offenbar vor allem Gruppen in ländlichen Regionen. Ist das ein neues Vereinsphänomen?

Reinhardt: In Deutschland gibt es rund 600.000 Vereine - seit 1970 hat sich diese Summe verfünffacht. Der Anteil der Landbewohner, die in einem Verein sind, blieb hierbei konstant, während der Anteil der Großstädter deutlich abnahm, um minus 10 Prozent. Ein starkes Gemeinschaftsgefühl und gemeinsame Erlebnisse - oder Challenges - schweißen Menschen enger zusammen. Dieses Phänomen findet man natürlich häufig in Vereinen, aber auch in vielen anderen, losen Gruppen.

(dpa)
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