Serie Unsere Schönste Radtour Der Mann, der ohne Rad nicht kann

Emmerich · Andreas Hendricks fährt seit 25 Jahren Rennrad. Wenn's sein muss, radelt er 100 Kilometer zur Arbeit und zurück. 250 000 Kilometer hat er bereits erfahren. Die längste Tour ging nach Santiago de Compostela. Das soll in den USA getoppt werden.

Kleve Eine Radtour durch den Kreis Kleve? Solch ein Vorschlag für einen Wochenendausflug kann Andreas Hendricks nur ein müdes Lächeln abringen. Denn der Klever ist ganz andere Entfernungen gewohnt. Das zeigt sein Fahrrad-Tagebuch: Seit 1990 ist der Klever mit dem Rad 250 200 Kilometer gefahren - mehr als eine viertel Millionen Kilometer. "Ich habe alles bis aufs Detail aufgeschrieben", sagt Hendricks und zeigt seine Tabelle auf seinem PC.

Zu den absolvierten Touren zählen oft keine Fahrten übers platte Land, sondern die extremen Routen durch die europäischen Bergmassive. Frankreich, Spanien oder Österreich - die Pyrenäen oder die Alpen. Kein Berg ist dem heute 50-Jährigen zu hoch. 14 Tage lang und über 2000 Kilometer quälte sich Hendricks allein durch die französischen Alpen. Über 50 Pässe hinaus schleppte er sich bei dieser Fahrt. 45 Kilometer Höhenunterschied mussten seine Oberschenkel überwinden. Zudem absolvierte er sechsmal den Ötztaler Radmarathon - höchste Stelle ist das Timmelsjoch in 2509 Meter Höhe - und die einwöchige Jeantex Transalp quer über die Alpen. Dazu kommen mehrmals jährliche Trainingslager in Spanien oder Frankreich mit seinen Vereinskollegen des RRG Kleverland sowie Erkundungen neuer Gebiete.

Von seiner Frau erfahre er immer Unterstützung, sagt Hendricks. Auch wenn sie von seinem Hobby wohl nicht so sehr begeistert sei, gibt er zu. Sie lasse das Fahrrad lieber stehen. Doch für Hendricks ist klar: Ein Leben ohne Fahrrad ist für den Mann kaum vorstellbar. Sein Alltag wird vom Fahrrad geradewegs dominiert. Wenn die Witterung es zulässt, steht Hendricks auch schon mal um drei in der Früh auf, frühstückt und schwingt sich auf eines seiner Rennräder, um damit die etwa 100 Kilometer-Strecke Arbeitsweg in die Landeshauptstadt nach Düsseldorf zu fahren. Und nach Feierabend dasselbe zurück: von der Düsseldorfer Rheinbrücke über Krefeld, Tönisvorst, Schaephuysen, Kevelaer und Goch bis nach Hause. Drei Stunden seien für ihn normal für eine Strecke. "Mein Rekord sind zwei Stunden und 40 Minuten", sagt Hendricks, lacht und gibt zu. "Danach bin ich aber auch richtig platt und kann gut schlafen."

Seine härteste Tour war die Fahrt in den Wallfahrtsorts Santiago de Compostela in Spanien im Sommer 2010. Von Kleve bis an die Pilgerstätte sind es laut seines Tourtagebuchs etwa 2800 Kilometer. Lüttich, Paris und Pamplona ließ er hinter sich. Zusammen mit einem Freund durchquerte er in etwa drei Wochen Frankreich und Spanien, überwand die Pyrenäen und lernte in Spanien die Gastfreundschaft der Einwohner kennen. "Wir sind parallel zum Pilgerweg, dem Jacobsweg gefahren", sagt Hendricks. "Die Menschen sahen uns die Strapazen an, luden uns auf Essen und Trinken ein", erzählt er. Radpannen blieben ihnen auf der Tour zwar erspart, ein schwerer Sturz in den Pyrenäen seines Freundes hätte die Tour aber beinahe frühzeitig beendet. "Andreas meint, ich hätte mir sämtliche Knochen gebrochen, aber außer ein paar Schrammen und einer ordentlichen Prellung am Oberschenkel ist nichts passiert", schreibt der beinahe Verunglückte ins Tagebuch.

"Das war sehr kritisch, wir hatten richtig Glück", erinnert sich Hendricks noch heute an die Situation, als sein Freund bei der Abfahrt bei Tempo 40 die Kontrolle über das Rad verlor.

Andreas Hendricks ist in vielerlei Hinsicht ein extremer Radfan. Nicht nur die schwierigen Routen haben es ihm angetan. Wenn es sein muss, baut er seine Räder bis auf das kleinste Ritzel auseinander. Sein erstes Rennrad aus dem Jahr 1990, mit dem er noch heute trainiert, hat bereits 160 000 Kilometer auf dem Buckel. Wegen des Verschleißes der Einzelteile nahm er das Rad schon unzählige Male auseinander. Schraube für Schraube, Kettenglied für Kettenglied. Selbst den Carbonrahmen, der schon zweimal gerissen ist, hat Hendricks mit Zwei-Komponenten-Kleber geklebt. "Ja das Fahrrad ist alt und schwer, meine Vereinskameraden belächeln mich auch dafür, aber ich werde es behalten, solange ich damit mithalten kann", sagt Hendricks. Und das will er noch lange.

Die Eine-Million-Kilometer-Grenze wird Hendricks in Zukunft wohl nicht mehr knacken, dem ist er sich bewusst. Aber die Strecke zum Mond - etwa 356 000 Kilometer - die scheinen durchaus noch realistisch zu sein. Rund 100 000 Kilometer fehlen dazu noch. Und wenn man bedenkt, dass er allein vergangenes Jahr 18 000 Kilometer absolviert hat, könnte das Ziel sogar schon in etwa sechs Jahren erreicht sein.

Für dieses Jahr steht noch eine alleinige Durchquerung der Pyrenäen an. Auch da werden wieder einige Kilometer hinzukommen. Und im Jahr 2016 wartet eine neue Herausforderung. Hendricks will den Kontinent erstmals verlassen und die Tour nach Santiago de Compostela überbieten.

Derzeit laufen bereits die Vorbereitungen für die Durchquerung der Vereinigten Staaten von der Ost- zur Westküste. Von New York bis Los Angeles sind es etwa 5000 Kilometer. Und das Gebirge der "Sandia Mountains" östlich von Albuquerque im heißen US-Bundesstaat New Mexico, das er passieren muss, ist etwa 3000 Meter hoch.

(RP)
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