Rees Der Mann mit dem feinen Pinselstrich

Rees · Vor 50 Jahren starb der Reeser Künstler Hein Scholten. Noch immer erinnert vieles in der Stadt an ihn.

 Hein Scholten vor einem seiner vielen Landschaftsgemälde. Zuerst hatte er vor allem Menschen gemalt, später wandte er sich ganz der Landschaftsmalerei zu.

Hein Scholten vor einem seiner vielen Landschaftsgemälde. Zuerst hatte er vor allem Menschen gemalt, später wandte er sich ganz der Landschaftsmalerei zu.

Foto: Stadtarchiv Rees

Annegret Scholten führt regelmäßig durch das Städtische Museum Koenraad Bosman, im "Scholten-Zimmer" werden ihre Ausführungen besonders lebendig. Dann erzählt sie, wie Heinrich Karl Franz Scholten, genannt Hein, mit der kleinen Isetta durch Rees und nach Ostfriesland sauste, wie er manchmal im Tausch gegen Tabak Auftagsbilder malte und dass er mit Vorliebe Reeser Platt sprach, während seine Frau daheim friesischen Tee aufsetzte. Die Anekdoten musste sich die Museumsführerin nicht anlesen, denn sie ist die Schwiegertochter des Künstlers, der am 8. Mai 1894 in Rees geboren wurde und vor 50 Jahren, am 16. Oktober 1967, in seiner Heimatstadt starb.

 Hein Scholtens Ölgemälde Schwarzes Wasser.

Hein Scholtens Ölgemälde Schwarzes Wasser.

Foto: GF

Das Geburtshaus des Künstlers kennen die Reeser gut. Es ist die heutige Stadtbücherei am Markt. Das Haus mit der Nummer 18, um 1860 im klassizistischen Stil erbaut, war Wohnsitz der Brauereifamilie Scholten. Sie braute seit 1862 im Nachbarhaus 17, das heute die Polizei und den Erweiterungstrakt der Bücherei beherbergt, ihr eigenes "Scholten"-Bier. In Rees erinnert auch die Hein-Scholten-Straße an den vor 50 Jahren verstorbenen Künstler. Die Nachbarstraßen sind seinem Freund und Förderer Piet Leysing und dem Reeser Künstler Erich Feyerabend gewidmet.

Schon als Schüler und Gymnasiast begann Heinz Scholten zu malen. Er besuchte oft den fast neun Jahre älteren Reeser Maler Piet Leysing (1885-1933) in der Rünkelstraße 21. Die Eltern wussten um den Wunsch des Sohnes, Künstler zu werden, schrieben ihm aber vor, erst etwas Bodenständiges zu lernen. So begann er eine kaufmännische Ausbildung in Neuss und besuchte - erst heimlich, dann mit Genehmigung seines kunstbeflissenen Chefs - während der Arbeitszeiten die Kunstakademie in Düsseldorf.

Der Erste Weltkrieg durchbrach die Pläne. Scholten wurde Leutnant der Reserve und kämpfte an der Westfront. Er wurde mehrmals verwundet und einmal verschüttet. Nach dem Krieg studierte er von 1919 bis 1920 in Amsterdam und Leiden, von 1921 bis 1922 an der Kunstakademie Berlin. In Rees fand er Künstlerfreunde wie Paul Biesemann und Piet Leysing, mit denen er Fahrten nach Ostfriesland unternahm. Es folgten weitere Malreisen an die ostfriesische Küste. Dort lernte Hein Scholten Marie Tjaden kennen, eine deutlich jüngere Grundschullehrerin aus Emden, die er 1942 heiratete.

Bis heute sind Scholtens Bilder in Ostfriesland ähnlich bekannt wie in seiner Heimatstadt Rees. Ursula Basse-Soltau, die kürzlich verstorbene ehemalige Verlegerin des "Ostfriesischen Kuriers", schrieb in einem Porträt über den Reeser Maler: "Scholtens Stil und Technik verfeinerten sich und zeigten eine gewisse Verwandtschaft mit Max Liebermann. Besonders seine Aquarelle wurden zu ,Pinselzeichnungen' im Sinne der englischen Malerei des 19. Jahrhunderts, aber auch die Ölbilder nehmen diese feine Pinseltechnik an. Begabung und Liebe zur feinen lyrischen Zeichnung machten Scholten auch zu einem Meister der Kaltnadelradierung."

Im Zweiten Weltkrieg gingen große Teile seines künstlerischen Frühwerks verloren. Zwar lagerte er viele Bilder nach Diersfordt, Weimar und Schlesien aus, bekam sie jedoch nicht mehr zurück. Bei der Einnahme von Rees durch die Alliierten wurde Scholtens Atelierhaus mit allen Werken zerstört. In einem notdürftig eingerichteten Atelier gründete er gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs, im Sommer 1945, mit Malerfreunden aus Rees und Wesel die Künstlergruppe "Die Niederrheiner" und organisierte in den frühen Nachkriegsjahren 1946 und 1947 Ausstellungen in Dinslaken, Emmerich und Wesel. "Meine Schwiegermutter erzählte, dass diese Künstlertreffen zu ihren schönsten Erinnerungen gehören", sagt Annegret Scholten. "Die Künstler hatten wenig, aber jeder brachte mit, was er auftreiben konnte: der eine Farbe, der andere Leinwand oder Holzspanplatten, die anderen brachten Essen und Getränke mit."

Ab 1947 unternahm Hein Scholten wieder Malreisen in die Eifel, den Westerwald und nach Ostfriesland. "Scholten, der zunächst auch Menschen malte, wandelte sich nach und nach ganz zum Landschaftsmaler mit lyrischen Stimmungsbildern", schrieb Ursula Basse-Soltau über das Alterswerk des Reeser Künstlers. Scholten unternahm Fahrten nach Oberbayern, entdeckte das Berchtesgadener Land und den Tegernsee, malte nun auch Hochgebirgslandschaften.

Im Jahr 1966 erkrankte er ernsthaft, schuf nach einer Operation in kurzer Zeit aber noch eine Reihe von Ölbildern, kleinformatige Aquarelle und Sepia-Zeichnungen. Er starb am 16. Oktober 1967, sieben Jahre später widmete ihm seine Heimatstadt eine erste große Gedächtnisausstellung im Rathaus. Das städtische Museum Koenraad Bosman organisierte 2011 eine Sonderausstellung mit mehr als 60 geliehenen Scholten-Bildern aus Privatbesitz. Im selben Jahr wurde dem Maler ein "Scholten-Zimmer" als feste Einrichtung im Museum Koenraad Bosman gewidmet. Das größte Bild, ein Sonnenuntergang am Altrhein in Kellen, ist eine Leihgabe der Sparkasse in Emmerich und hing dort viele Jahre im Flur. Ein anderes Bild zeigt einen nicht mehr existierenden Hof in Reeserward. "Nachdem er dieses Bild gemalt hatte, sagte er zu seiner Frau: Wenn Rees irgendwann ein Museum haben sollte, möchte ich, dass dieses Bild dorthin kommt", sagt Annegret Scholten.

(RP)
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