Kommentar Die BGE als Moralwächter bei Facebook

Emmerich · Sogar in der Lokalpolitik ist es modern geworden, den Gegner in einer Art Überbietungswettbewerb aus der Gemeinschaft der Demokraten auszuschließen: Wer anderer Meinung ist, vertritt nicht die Interessen der Bürger, wird unterstellt. Emmerich könnte daran pleite gehen.

 Betuwe: Jetzt müssen die Weichen gestellt werden.

Betuwe: Jetzt müssen die Weichen gestellt werden.

Foto: Schwarze-Blanke

Kommunalpolitik ist in der Regel nichts für Leute, die gerne das große Rad drehen möchten. Wenngleich es etwas gibt, das alle eint, die sich mit Politik beschäftigten: Sie möchten (wieder)gewählt werden.

In diese Kategorie fallen die Aufgeregtheiten dieser Woche bei der BGE. Die Bürgergemeinschaft Emmerich hat nämlich mit Blick auf die Sondersitzung des Rates am kommenden Dienstag schon einmal bei Facebook veröffentlicht, wer im vergangenen Jahr für die Unterstützung der Gleisbettvariante in Elten gestimmt hat und wer dagegen war beziehungsweise sich enthalten hat.

Wenn sie mit dem Begriff nichts anfangen können: Das Wort steht für die Pläne des CDU-Ratsherren Johannes ten Brinck, der früher als Ingenieur für die Bahn gearbeitet und als Ruheständler Pläne entworfen hat, die für Elten zwei Dinge sicherstellen sollen.

Erstens: Die neuen Gleise, die für die Betuwe gelegt werden müssen, knabbern nicht den Eltenberg an. Zweitens: Elten bekommt durch veränderte Trassen eine Ortsumgehung, die schon seit Jahrzehnten gefordert wird. Die Bürgerinitiative "Rettet den Eltenberg" hat sich diese Pläne zueigen gemacht und unter ihrem Chef Sohni Wernicke dafür gekämpft.

Die Initiative hat sogar ein Gutachten in Auftrag gegeben, das angeblich den Plan als realistisch einstuft. Öffentlich vorgestellt hat sie es bisher noch nicht.

Mittlerweile haben die Bahn und alle beteiligten Behörden erklärt, dass die Alternativ-Pläne so nicht durchführbar seien und Millionen Euro mehr kosten als die bisherige Planung. Die Emmericher Stadtverwaltung fürchtet seither einen finanziellen Schaden von 14 Millionen Euro, sollte der Rat weiterhin darauf bestehen, dass für Elten andere Pläne verfolgt werden als die vorliegenden.

Damit nämlich, so schlussfolgert die Bezirksregierung in Düsseldorf, würde sie die sogenannte Konsensvereinbarung verlassen, nach der die Kommunen für zusätzliche Über- oder Unterführungen an der Strecke oder schönere Lösungen nicht zu zahlen haben, auch wenn diese von der Bahn eigentlich nicht gemacht beziehungsweise nicht bezahlt werden müssten. Voraussetzung dafür: Keine Extrawürste!

Das ist das Ergebnis von politischer Einflussnahme von zwei Berliner Schwergewichten: Ronald Pofalla als damaliger Kanzleramtsminister und CDU-Abgeordneter für den Kreis Kleve und Barbara Hendricks, bis vor kurzem einflussreiche Bundesumweltministerin und SPD-Bundestagsabgeordnete aus Kleve. Die Beiden haben vor Jahren Millionen für Emmerich und die anderen Anrainerstädte der Betuwe herausgeholt.

Wie viel, das zeigt Elten: Die 14 Millionen Euro müsste Emmerich nur für diesen einen Ortsteil bezahlen, verließe die Stadt die Konsensvereinbarung. Millionen Euro für den Rest von Emmerich kämen hinzu. Die Stadt wäre pleite.

Pofalla hat sich vor geraumer Zeit in den Dienst der Bahn gestellt (hat die Region aber nicht vergessen), Hendricks hat mittlerweile in einem Brief erklärt, sie könne für Elten nichts mehr tun. Der Grund: Alle Behörde und die Bahn lehnen die Pläne für Elten ab.

Deutlicher kann es nicht gesagt werden, zumal auch die CDU-Abgeordneten aus den Kreisen Wesel und Kleve keine Chancen für eine Einflussnahme sehen. Sie sind (noch) keine Schwergewichte.

Daran wird sich auch nichts mehr ändern, wenn im Mai alle Abgeordneten noch einmal in Elten zusammen mit dem Naturschutzbund, dem Bürgermeister und der Emmericher Politik drüber reden. Das Ding ist nicht umsetzbar.

Es sei denn, die Bürgerinitiative beschreitet den Klageweg. Das hat Sohni Wernicke schon einmal angedeutet und erklärt, der Nabu-Landesverband (Naturschutzbund) werde die Eltener dabei unterstützen. Das klingt vernünftig. Denn sollte bei einer gerichtlichen Überprüfung herauskommen, dass die Pläne von Johannes ten Brink doch umgesetzt werden können oder sogar müssen, dann werden Bahn und alle beteiligten Behörden das tun. Und die Stadt Emmerich ist aus dem Schneider, denn sie hat ja die Konsensvereinbarung nicht verlassen. Und damit nicht riskiert, 14 Millionen Euro (nur) für Elten ausgeben zu müssen.

So simpel sind die Dinge eigentlich. Ein bisschen Kalkül und ruhiges Abwägen. Wenn man das allerdings nicht wil und lieber die Emotionen der Menschen befeuern möchte, dann macht man das am besten so wie die BGE. Sie hat bei der letzten Abstimmung zum Thema schon eine namentliche Abstimmung beantragt und will das am Dienstag auch wieder tun.

Damit vermittelt sie den Eindruck, als gehe es in Elten um eine Gewissensentscheidung der Ratsmitglieder, um Gut oder Böse.

"Jetzt muss von jedem Ratsmitglied persönlich Farbe bekannt werden!", triumphiert die BGE auf ihrer Facebook-Seite.

Warum eigentlich?

Im Herbst 2020 sind Kommunalwahlen. Könnte eine Erklärung sein.

(RP)
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