Rees "Die Challenge heißt: Rees!"

Rees · Ein Abend mit Christian Ehring im Bürgerhaus: Eher leise Töne als Schenkelklopfer.

 Christian Ehring auf der Bühne in Rees. Er bezog das Reeser Publikum ein, das er zu Beginn der zweiten Halbzeit als "durchaus amüsierwillig - aber nicht um jeden Preis" einstufte.

Christian Ehring auf der Bühne in Rees. Er bezog das Reeser Publikum ein, das er zu Beginn der zweiten Halbzeit als "durchaus amüsierwillig - aber nicht um jeden Preis" einstufte.

Foto: Michael Scholten

Der 18-jährige Sohn macht ein "freiwilliges soziales Jahr" in Argentinien, auch wenn die Eltern ihn dazu zwingen mussten. Aber jetzt bekommen die südamerikanischen Waisenkinder in ihrem Slum endlich das Glücksgefühl, einem emotional völlig verwahrlosten Wohlstandskrüppel bei der Selbstfindung helfen zu können. Die kleine Einliegerwohnung, in der der Sohn den größten Teil seiner Pubertät verbrachte, wird nun frei: "40 Quadratmeter, separater Eingang, kleine Küche, kleines Bad." Und die Gattin hat eine Idee: Sie möchte dort einen Flüchtling unterbringen.

Das ist der rote Faden, der sich durch Christian Ehrings Soloprogramm "Keine weiteren Fragen" im Reeser Bürgerhaus zog. Denn der Ehemann, den der aus "extra 3" und "heute-show" bekannte Moderator und Kabarettist auf der Bühne gab, sucht eifrig nach Argumenten, die gegen die Willkommenskultur im Eigenheim sprechen: Flüchtlinge aufzunehmen, sei doch "wahnsinnig 2015", zumal die guten Flüchtlinge bestimmt schon alle weg sind. Lieber möchte er in der Einliegerwohnung ein Tonstudio einrichten, weil sein zweites Standbein als Komponist veganer Kinderlieder ("ohne Tiere, ohne Tierprodukte") gerade richtig boomt. Vielleicht könne man den Plan ja auch um 10 bis 15 Jahre verschieben, denn "die Flüchtlinge laufen uns ja nicht weg."

Der Sinneswandel kommt beim Willkommenscafé der evangelischen Kirche. Dort lernt das Paar einen echten "Traumflüchtling" kennen: David aus Eritrea, der zwei Jahre nach seiner Flucht perfekt Deutsch spricht, einen tollen Humor hat und dessen Zukunft in Deutschland sofort von Ehring durchgeplant wird: Praktikum bei der Lokalzeitung, vergünstigte Mitgliedschaft im Fitnessclub, kostenloses Yoga für Flüchtlinge und vielleicht sogar ein gemeinsamer Urlaub, bei dem David "uns mal sein Afrika" zeigen kann. Als David dann doch nicht einzieht, weil er sein Leben selbst gestalten will, platzt dem deutschen Gastgeber der Kragen.

Es war kein Abend der großen Schenkelklopfer, sondern der leisen Zwischentöne. Christian Ehring regte zum Nachdenken an, mal mit feinem Humor, mal mit Liedern, zu denen er sich selbst am Flügel begleitete. Er bezog das Reeser Publikum ein, das er zu Beginn der zweiten Halbzeit als "durchaus amüsierwillig - aber nicht um jeden Preis" einstufte. Tagesaktuell und amüsant war der Block, in dem er die Schlagzeilen aus der "Rheinischen Post" ("Wenn Sie die lesen, lese ich sie auch") aufgriff: Die Schließung von Kirchen, drohende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge und natürlich Donald Trump ("Manche loben ihn, weil er als Quereinsteiger Politik macht. Aber würden Sie zum Urologen gehen, der Quereinsteiger ist und früher Klempner war?") und die SPD-Abstimmung pro oder contra große Koalition: "Wir haben nur drei Möglichkeiten: Groko, Neuwahlen oder Ursula von der Leyen macht einen Militärputsch."

Christian Ehring lobte den Niederrhein als "bodenständige Region" und verwies auf die größten Sehenswürdigkeiten von Rees: "Die Rheinpromenade und der Wolf." Damit hebe sich die Kleinstadt erfreulich von Dörfern ab, in denen das einzige kulturelle Highlight der Besuch des Schweinebesamers sei. Entsprechend regte er an, das erfolgreiche Magazin "Landlust" in "Landfrust" umzubenennen, weil das Leben auf dem Land halt von Güllegestank, fehlendem Personennahverkehr und langsamem Internet geprägt sei und nicht den Hochglanzvorstellungen entspreche, die Großstädter von der Landidylle haben. "Cool sein in Berlin kann jeder", betonte Christian Ehring, "doch die Challenge heißt: Rees!"

(RP)
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