Emmerich Die Strategie der "Fungarden"-Anwälte

Emmerich · Das Verteidigungsteam des Bordell-Betreiberpaars will "Druck machen": kluge Strategie oder nur hinderlich für den Prozess?

Razzia in Bordellen in Emmerich
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Der Prozess gegen Esed D. (53) und Olga G. (40) war noch keine Minute alt, da stellte Strafverteidiger Joachim Müller (Düsseldorf) bereits einen Antrag, der die gut 30 Zuschauer bei Gericht verwunderte. Er forderte, die Anklage wegen Menschenhandels, Einschleusung, Steuerhinterziehung, Vorenthalten von Arbeitsentgelten und Urkundenfälschung gar nicht erst verlesen zu lassen.

Das ist ein Winkelzug, der aktuell in Fortbildungsseminaren für Strafverteidiger gelehrt wird. Der Anwalt erklärte, dass die Anklage formal nicht korrekt sei: Die Schöffen könnten das, was mit großer Detailfreude als Tatvorwurf formuliert sei, möglicherweise für bare Münze nehmen. Dies benachteilige seine Mandantin, so Müller.

Die neunte große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Christian Henckel sah sich mit einem erkenntnistheoretischen Problem konfrontiert: Wie soll man über die Zulässigkeit einer Anklageschrift entscheiden, wenn diese noch gar nicht offiziell in einer Verhandlung eingeführt ist? Also ließ Henckel die Anklage verlesen — mit der logischen Konsequenz, dass die Verteidiger den Antrag erneut stellten und obendrauf noch einen Befangenheitsantrag setzten.

Das Vorgehen ähnelt einem Schachspiel mit Paragrafen und Verfahrensfragen. In einer Verhandlungspause erklärte Müller freimütig den im Publikum sitzenden Angehörigen von Olga G., es gehe ihm darum, Druck zu machen. Die Hoffnung: Die Kammer begeht irgendwann einen Fehler, mit dem sich das ganze Verfahren kippen lässt.

Allerdings trifft die fünfköpfige Verteidigerriege auf einen Vorsitzenden Richter, der schon andere juristische Schlachten geschlagen hat: Christian Henckel führte auch den Vorsitz, als das Landgericht den Ehrenmord-Prozess gegen Vater und Bruder des Opfers Gülsüm aus Rees mit lebenslangen Haftstrafen zu einem Abschluss brachte.

Die Bilanz der Verteidiger nach dem ersten Verhandlungstag: Es ist ihnen gelungen, einen siebenstündigen Verhandlungstag durch Anträge und Beratungspausen so weit zu zerhacken, dass Staatsanwalt Sven Timmer ihnen offen eine Verschleppungsstrategie vorwarf. Andererseits: Diese Anträge wurden abgeschmettert. Morgen beginnt die Beweisaufnahme.

(dau)
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