Emmerich Fungarden: "Ab jetzt bist du eine Hure!"

Emmerich · "Fun-Garden"-Prozess: Eine Zeugin aus Ungarn schildert ein Martyrium. Wurde sie für 1000 Euro "verkauft"?

 Esed D. (oben) soll in der Küche des Fun Garden mit einem Menschenhändler handelseinig geworden sein. Unten: Die Razzia.

Esed D. (oben) soll in der Küche des Fun Garden mit einem Menschenhändler handelseinig geworden sein. Unten: Die Razzia.

Foto: kds/mvo

Zwei Jahre, so sagte es Laura S. (27) als Zeugin im Fungarden-Prozess am Landgericht Kleve, habe sie auf diesen Tag gewartet — um für Gerechtigkeit zu sorgen. Vergeblich habe sie versucht, das Geschehen aus dem Jahre 2010 zu vergessen. Sie sei nervlich angeschlagen, befinde sich in psychologischer Behandlung und habe seitdem keine normalen Beziehungen zu Männern mehr gehabt.

 Esed D. (oben) soll in der Küche des Fun Garden mit einem Menschenhändler handelseinig geworden sein. Unten: Die Razzia.

Esed D. (oben) soll in der Küche des Fun Garden mit einem Menschenhändler handelseinig geworden sein. Unten: Die Razzia.

Foto: kds/mvo

Das, was ihr Leben für immer prägen sollte, waren fünf Tage Arbeit im Emmericher Bordell "Fun Garden", im März 2010. Einer der Betreiber, Esed D. (53), und seine Lebensgefährtin Olga G.(40), sitzen seit dem 13. November schweigend auf der Anklagebank des Gerichts.

Verantworten müssen sie sich unter anderem wegen Steuerhinterziehung und dem "Vorenthalten von Arbeitsentgelten". Doch der erste Punkt, den Staatsanwalt Hendrik Timmer vor knapp einem Monat beim Prozessauftakt gegen das Duo ins Feld führte, lautete: Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Darauf steht Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.

Die Schilderungen der 27 Jahre alten Frau gaben dem Vorwurf reichlich Nahrung. Ein guter Bekannter habe sie mit nach Deutschland genommen, das Datum wusste sie nicht mehr. Wohl aber, dass es der Weltfrauentag gewesen sei, wie sie mit einem gewissen Sinn für Sarkasmus anmerkte.

Sie sei dabei gewesen, als ihr Bekannter in der Küche des Etablissements mit Esed D. verhandelt und schließlich von ihm zwei 500-Euro-Scheine in Empfang genommen habe. Am Nachmittag des Tages, nach einer kurzen Ruhepause, sei der Freund verschwunden gewesen. Als sie ihn über Handy erreichte, habe er gesagt: "Ab jetzt bist du eine Hure!"

Es war ein albtraumhafter Bericht, den Laura S. vor Gericht abgab. Man habe ihr Medikamente verabreicht, sie habe mit 15 bis 20 Männern pro Tag Sex ausüben müssen, sie habe das "Fun Garden" nicht verlassen dürfen, sie sei geschlagen worden, Ausweisdokumente und Handy seien ihr weggenommen worden. Das Geld, das sie verdient habe, sei komplett einbehalten worden. Der Kammer sagte sie: "Ich habe das alles mitgemacht, weil ich furchtbare Angst hatte. Ich war psychisch vollkommen am Ende."

Die Rettung kam, weil sie mit einem Trick eine SMS an ihre Familie schicken konnte. Die Familie schaltete die ungarische Polizei ein, diese das Bundeskriminalamt, das wiederum die Polizei in Kleve - und die schließlich die Wache in Emmerich. Die beiden Beamten, die daraufhin zum "Fun Garden" fuhren, sagten gestern ebenfalls als Zeugen aus.

Beide erzählten, dass Esed D. sich sehr kooperativ verhalten habe und die als vermisst gemeldete Laura sofort habe holen lassen. "Sie war sehr glücklich, als sie die Uniformen sah und brach sofort in Tränen aus", so einer der Beamten. Vom Personal seien Handy, Ausweis und Kleidung der Frau übergeben worden, damit sei man dann sofort weggefahren.

Die Verteidigung der Angeklagten unternahm einmal mehr den Versuch, die Glaubwürdigkeit einer belastenden Zeugin zu erschüttern — zumal auch die Aussage von Laura S. nicht gänzlich widerspruchsfrei zu früheren polizeilichen Vernehmungen waren. Konnte sie damals den "Fun Garden" wirklich nicht verlassen? Hatte sie tatsächlich keinen Zugriff auf ihr Handy? Wusste sie wirklich nicht, was sie in Emmerich erwartet?

Laura S. blieb bei ihren Aussagen und verwies mehrfach überzeugend auf die Ausnahmesituation, in der sie sich befunden habe. Am Ende des achten Verhandlungstages verlas die Kammer dann die Vernehmung des Mannes, der Laura S. nach Deutschland gebracht hatte. Er erklärte der ungarischen Polizei, Laura S. selbst sei es gewesen, die nach Deutschland gewollt habe. Laura S. erklärte dazu: "Natürlich lügt er."

Der Prozess wird am Dienstag, 18. Dezember, fortgesetzt.

(daute)
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