Emmerich Fungarden: Esed D. hatte Angst

Emmerich · Am 15. Verhandlungstag im "Fungarden"-Prozess bricht Esed D. sein Schweigen, gesteht Steuerhinterziehung, bestreitet Menschenhandel, macht Olga G. eine Liebeserklärung.

Razzia in Bordellen in Emmerich
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Er stammt aus ärmlichen Verhältnissen in Bosnien, er brach die Schule nach zehn Jahren ab, er ging Anfang der Neunziger Jahre nach Deutschland und malochte als Leiharbeiter in einem Bergwerk in Gelsenkirchen. Keine guten Ausgangsbedingungen für eine erfolgreiche Karriere. Doch gut zehn Jahre später fand sich Esed D. als Chef eines florierenden Unternehmens wieder, das durchschnittlich 80 000 Euro im Monat einnahm. Das Leben, ein Traum? Nein, sagt der 53-Jährige: "Mein Leben und meine Arbeit, es war eine Hölle. In diesem Geschäft muss man Nerven aus Stahl haben."

Am 15. Verhandlungstag des Fungarden-Prozesses schilderte erstmals der Angeklagte Esed D. seine Sicht der Dinge.

Auberge: Sein erster Kontakt mit dem Rotlichtmilieu war seine Tätigkeit als Chef des Bordells Villa Auberge in Emmerich, sagte Esed D.. Schon damals war Olga G. seine Lebensgefährtin und geschäftlich sein Mädchen für alles. Über einen Bekannten sei er zu dem Bordell gekommen, dessen Besitzer sich aus Altersgründen zurückziehen wollte. "Am Anfang war es schwierig, die Miete zu erwirtschaften. Manchmal haben wir mit nur einer Frau gearbeitet", so D..

Esed lernte die Emmericher Größe Ali E. kennen, der vorschlug, eine ehemalige Diskothek im Industriegebiet in ein Bordell umzuwandeln. "Das Geld spielt keine Rolle, darum kümmere ich mich", habe Ali E. gesagt. In der Tat steuerte E. 120 000 Euro zum Umbau der Immobilie bei. Dafür kassierte er später monatlich 10 000 Euro steuerfrei aus den Einnahmen des Betriebs — auch, nachdem rein rechnerisch Schuld und Zinsen zurückgezahlt waren. Warum? "Ganz Emmerich hat Angst vor Ali E. Soll ich anfangen, mit dem Krieg zu führen?", lautete die Antwort des Angeklagten. Der stille Teilhaber sei tagtäglich kurz vor Geschäftsschluss in das Bordell gekommen, habe gewissenhaft die Einnahmen gezählt und mit nach Hause genommen.

und Esed: Der Angeklagte stellte sich selbst als einen kranken Mann dar, der sich drei Monate vor seiner Verhaftung wegen Depressionen in psychiatrische Behandlung begeben habe. Er habe ein bis zwei Gramm Kokain täglich konsumiert. Manchmal habe er übertrieben und sich dann tagelang eingeschlossen, weil er sich vor Olga geschämt habe. Zu seiner Beziehung zu Olga befragt, sagte D.: "Da war und ist Liebe. Ich bereue, dass ich sie in dieses Geschäft hereingezogen habe." Als die Verhandlung kurz nach diesen sentimentalen Sätzen für eine Viertelstunde unterbrochen wurde, wischten sich die beiden Angeklagten Tränen aus den Augen.

Sex-Geschäft: Dem Gericht schilderte der Bosnier die Kalkulation aus seiner Sicht. Für einen Eintritt in Höhe von 35 Euro ("Happy Hour") hätten seine Gäste dreimal essen, frei trinken und die Sauna benutzen können. Die im Fun Garden beschäftigten Frauen hätten Tausende Euro verdienen können, während er nur eine Tagespauschale von 50 Euro einbehalten habe — und die sei nicht einmal von allen Frauen kassiert worden. Besonders zugkräftigen Damen, solchen ohne Kundschaft sowie reinen Tänzerinnen sei der Betrag erlassen worden.

und Steuern: "Haben Sie alle Umsätze richtig aufgeschrieben und erklärt?", fragte der Vorsitzende Richter Christian Henckel. Esed D. antwortete: "Das habe ich nicht gemacht. Ich gebe zu, ich habe Fehler gemacht." Manchmal habe er sogar an eine Selbstanzeige gedacht. Freimütig erklärte er, dass der Umsatz des Bordells bei rund achtzigtausend Euro im Monat gelegen habe. Dem Finanzamt seien nur Beträge von rund fünfzigtausend Euro gemeldet worden. Das abgezweigte Geld landete bei Ali E., diente zur Deckung der laufenden Kosten von Esed und Olga (rund 8000 Euro im Monat), oder es wurde in die Immobilie investiert.

und Zuhälter: Die Frauen, die im Fun Garden arbeiteten, kamen aus ganz Europa. Manche meldeten sich selbst, andere kamen auf Empfehlung - und dann gab es welche, so berichtete es D., die von ihren "Ehemännern" vorbei gebracht wurden. Dass es sich um Zuhälter gehandelt habe, habe man nicht merken können. Niemals jedoch sei Geld an einen Mann geflossen, der eine Frau im Fun Garden ablieferte. D.: "Ich habe nie im Leben eine Frau gekauft." Dies sei unvereinbar mit seinen geschäftlichen Prinzipien.

Den Frauen seien in der Regel die Reisekosten erstattet worden. Dieser Betrag sei in das so genannte "Schuldenbuch" eingetragen worden und dann von den Damen nach und nach zurückgezahlt worden. Diese Geschichte konnte nicht einen verräterischen Eintrag erklären, auf den Staatsanwalt Hendrik Timmer hinwies: Einmal seien bei den Betriebsausgaben "1000 Euro ungarische Mädchen" notiert worden.

Nach diesem Hinweis wurde die Befragung des Angeklagten wegen Erschöpfung abgebrochen. Sie wird am kommenden Dienstag, 26. Februar, fortgesetzt.

(RP)
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